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Typologische Ansätze der Persönlichkeitspsychologie

Historisch gesehen hat die Persönlichkeitspsychologie ihre Wurzeln in sogenannten typologischen Theorien, die die Menschen nach einfachen Kriterien in verschiedene Klassen eingeteilt haben, zumeist aufgrund äußerlicher, körperlicher Merkmale. Der bekannteste derartige Ansatz einer sogenannten „Konstitutionstypologie“ ist die Typenlehre von Kretschmer, er unterschied drei Körperbauten:

  • Pykniker (kurzer und gewölbter Rumpf, eher kurze Extremitäten, großer und runder Kopf, breites, weiches Gesicht)
  • Leptosome (Rumpf und Extremitäten schlank und schmal, schmales und spitzes Gesicht, hageres, sehniges Oberflächenrelief)
  • Athletiker (trapezförmiger Rumpf, kräftiges Knochen- und Muskelrelief, große Hände und Füße, derbes, konturenreiches Gesicht)

Kretschmers Beobachtungen an psychiatrischen Patienten zufolge bestand eine Korrelation zwischen den drei Körperbautypen und der Art der psychischen Erkrankung in dem Sinne, dass Pykniker häufig an manisch-depressiven Irresein, Leptosome eher an Schizophrenien und Athletiker eher an Epilepsie erkrankten. Westphal (1931) führte zu einem späteren Zeitpunkt Sichtungen mehrerer Untersuchungen an insgesamt ca. 8000 Patienten durch; ausgehend von dieser Untersuchung nahm Kretschmer an, Geisteskranke mit den erwähnten Diagnosen würden sich im Erleben und Verhalten von psychisch Unauffälligen nur quantitativ unterscheiden.

Die dort für Pykniker, Leptosome und Athletiker beobachtbaren Temperamente wurden bezeichnet als

  • P: zyklothym (gesellig, gutherzig, freundlich, gemütlich oder heiter, humoristisch, lebhaft und witzig, mitunter auch still und weich, ruhig und schwernehmend)
  • L: schizothym (ungesellig und still, feinfühlig und empfindlich)
  • A: viskös (schwer bewegliche Affektivität, starre Beharrungstendenz, Neigung zu perseverativen und stereotypen Handlungsabläufen)

Kretschmer versuchte Typendiagnosen berühmter Personen und verglich diese mit Berufstätigkeit: hier besteht ein methodischer Mangel, da die experimentelle Unabhängigkeit der Variablen nicht gegeben (in der Person des Diagnostikers laufen alle Informationen zusammen).
Spätere Versuche, die Typen mit Leistungstests zu unterscheiden, erbrachten zwar hypothesenkonforme Ergebnisse, allerdings wurden zumeist keine Signifikanztests berichtet und keine Zufallsstichproben getestet; auch wurde das Alter nicht kontrolliert (Tendenz zum pyknischen Typ mit zunehmendem Alter); wenn das Alter kontrolliert wurde, ergaben sich meist nur mehr schwache Effekte.
Generelles Problem typologischer Ansätze: Wenn Persönlichkeit unabhängig (und objektiv mit Persönlichkeitsfragebögen) von Beurteilung des Körperbaus erfasst, verschwinden die Zusammenhänge.
Selbst wenn Zusammenhänge (etwa zwischen athletischem Körperbau und sportlichem Interesse) gefunden werden, so müssen diese nicht genetisch bedingt sein (so wie Kretschmer & Sheldon annahmen), sondern können auch mit

  1. Selbst- und Fremdselektionsprozessen erklärt werden (z.B. große Personen spielen nicht aufgrund ihrer genetischen Ausstattung Basketball); aber auch das
  2. Verhalten prägt das Körperliche (Arme von Tennisprofis, Beine von Fußballspielern);
  3. Reaktionen der Umwelt auf bestimmten Körperbau führen zur Ausprägung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale. (evtl. aufgrund von Stereotypen; z.B. Dicke sind gemütlich!)

Das Hauptproblem aller Typologien ist aber, dass die wenigsten Menschen sich eindeutig einem der Typen zuordnen lassen (selbst nach Kretschmer gibt es nur 10 % „reine“ Typen).

Es liegt in der Natur des Menschen, die Komplexität des Lebens zu reduzieren, wobei eine besonders beliebte Form dieser Vereinfachung Stereotype darstellen. Hierzu bildet man eine überschaubare Anzahl von Kategorien, in die anschließend  die meisten Menschen einsortiert werden können, wobei. jede Kategorie für bestimmte Eigenschaften steht, die man allen Menschen in der selben Kategorie in gleicher Weise zuschreibt. Findet man dann Menschen, die in keine Kategorie passen bzw. die man nicht genau einordnen kann, dann nennt man das Ausnahmen von der Regel, gibt aber die Einteilung in die Kategorien nicht auf. Übrigens: Das menschliche Gehirn liebt Gruppen, denn es gruppiert immer und überall, etwa Frau Mann, alt jung, Blazer Jogginghose. Eine solche Einordnung von Objekten und deren Zugehörigkeit signalisiert dem Gehirn Sicherheit, und die ist grundlegend, um zu überleben, denn jemand, der einem ähnlich ist, stellt eine geringere Bedrohung da, und man ist leichter bereit zu vertrauen. Dieses Gefühl von Zugehörigkeit ist ein Motor für kooperatives und damit überlebensförderndes Verhalten, denn wer kooperiert, ist erfolgreicher und überlegt länger, sodass echter Egoismus darin besteht zu kooperieren.

Literatur

Stangl, W. (2014, 8. Juli). Typologie. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
https://lexikon.stangl.eu/7118/typologie.

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