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Steuerung der Clusterbildung im Gehirn

Nervenzellen würden in Isolation absterben, was zur Folge hat, dass sie während ihrer Entwicklung Neuriten ausbilden, um mit anderen Neuronen über synaptische Verbindungen zu kommunizieren. Sobald sie ausreichend oder auch zu viele synaptische Eingänge erhalten, hört das Wachstum der Neuriten auf bzw. sie werden gekürzt, was verhindert, dass Neurone über längere Zeit zu stark aktiviert bleiben. Dadurch wird das neuronale Wachstum kontrolliert, um ein Netzwerk auf einem bestimmten Aktivitätsniveau stabil zu halten. Um aber die Chancen für Vernetzung zu erhöhen, können Nervenzellen jedoch nicht nur Neuriten bilden, sondern auch in Richtung anderer Neuronen wandern.

Die Nervenzellen im menschlichen Gehirn haben sich auch nicht zufällig gebildet bzw. angeordnet, denn so bilden sie etwa in der Großhirnrinde Gruppen stark vernetzte neuronale Cluster, die als spätere Funktionseinheiten angelegt werden, wobei diese untereinander in schwächerem Kontakt stehen. Diese modulare Vernetzungsstruktur entsteht dabei schon in einer frühen Phase der Entwicklung, wobei die zugrunde liegende Selbstorganisation von neuronaler Aktivität gesteuert wird.

Okujeni et al. (2019) haben mit simulierten Netzwerkmodellen und in-vitro-Experimenten (mit Nervenzellen aus der Großhirnrinde der Ratte) untersucht, wie diese Mechanismen im Detail funktionieren. Sie konnten dabei zeigen, dass das Zusammenspiel von aktivitätsabhängigem Wachstum von Zellfortsätzen und die Wanderung von Nervenzellen während der Entwicklung eines Netzwerkes in hohem Maß dessen späteren Grad an Modularität beeinflusst.

Okujeni et al. (2019) haben nun belegt, dass das Wachstum von Neuriten und die Migration von Zellen beim Entstehen spezifischer Netzwerkarchitekturen interagieren. Dieses Zusammenspiel steuert das Verhältnis zwischen lokaler Vernetzung kurzer Reichweite und globaler Vernetzung langer Reichweite über Cluster hinweg und bestimme damit auch den Grad an Modularität im neuronalen Netzwerk. Um den Einfluss von Zellmigration auf die Netzwerkentwicklung zu untersuchen, manipulierten die Forscher ein Enzym, das in Nervenzellen die Stabilität und den Umbau des Zellskeletts reguliert. Wie in den Simulationen verstärkte Zellmigration auch in vitro die modulare Vernetzung durch Clusterbildung. Das Clustern förderte jedoch auch die Entstehung spontaner Aktivität und führte zu insgesamt höheren Aktivitätsniveaus, was zunächst im Gegensatz zu der Annahme stand, dass die Aktivität auf einem bestimmten Zielniveau bleibt. Da der die Aktionspotenzialaktivität die Dynamik des Zellskeletts nicht direkt steuert, sondern indirekt über einen Kalziumeinstrom, der die Balance zwischen Auf- und Abbauprozessen beeinflusst, erhöht die Modularität zwar die Rate, mit der Aktionspotenziale generiert werden, reduziert aber gleichzeitig die Synchronisation des Netzwerkes, die wiederum den Kalziumeinstrom pro Aktionspotenzial bestimmt. Dadurch stellt sich für alle Netzwerkstrukturen ein ähnliches Zielniveau ein.

Literatur

Okujeni, Samora, Egert, Ulrich, O’Leary, Timothy, Marder, Eve & Soriano, Jordi (2019). Self-organization of modular network architecture by activity-dependent neuronal migration and outgrowth. eLife, doi:10.7554/eLife.47996.
https://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2019/auswachsen-und-wandern (19-10-10)


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