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Immanuel Kant – Über Pädagogik – Vorrede (in neuer Rechtschreibung)

Herausgegeben von D. Friedrich Theodor Rink.
Königsberg: Friedrich Nicolovius 1803.

Vorrede des Herausgebers F. Th. Rink (1803)

Nach einer älteren Verordnung musste ehedessen fortwährend auf der Universität Königsberg und zwar abwechselnd jedes Mal von einem Professor der Philosophie den Studierenden die Pädagogik vorgetragen werden. So traf denn zuweilen auch die Reihe dieser Vorlesungen den Herrn Professor Kant, welcher dabei das von seinem ehemaligen Kollegen, dem Konsistorialrat D. Bock, herausgegebene Lehrbuch der Erziehungskunst zum Grunde legte, ohne sich indessen weder im Gange der Untersuchung noch in den Grundsätzen genau daran zu halten.

Diesem Umstande verdanken folgende Bemerkungen über die Pädagogik ihr Entstehen. Sie würden wahrscheinlich interessanter noch und in mancher Hinsicht ausführlicher sein, wenn der Zeitumfang jener Vorlesungen nicht so enge wäre zugemessen gewesen, als er es wirklich war, und Kant in der Art Veranlassung gefunden hätte, sich weiter über diesen Gegenstand auszubreiten und schriftlich ausführlicher zu sein.

Die Pädagogik hat neuerdings durch die Bemühungen mehrerer verdienter Männer, namentlich eines Pestalozzi und Olivier, eine neue interessante Richtung genommen, zu der wir dem kommenden Geschlechte nicht minder als zu den Schutzblattern Glück wünschen dürfen, ohngeachtet der mancherlei Einwendungen, die beide noch erfahren müssen, und die sich freilich bald sehr gelehrt, bald sehr vornehm ausgeben, ohne doch deshalb eben sonderlich solide zu sein. Dass Kant die neuen Ideen damaliger Zeit auch in dieser Hinsicht kannte, über sie nachdachte und manchen Blick weiter hinaustat als seine Zeitgenossen, das versteht sich freilich von selbst und ergibt sich auch aus diesen, wenngleich nicht aus eigener Wahl hingeworfenen Bemerkungen.

Von meinen beiläufigen Anmerkungen habe ich nichts zu sagen; sie sprechen für sich.

Nach den niedrigen Angriffen, die sich der Buchhändler Vollmer in Beziehung auf meine Ausgabe der kantischen „Physischen Geografie“ erlaubt hat, kann die Herausgabe solcher Handschriften unmöglich mehr ein angenehmes Geschäft für mich sein. Da ich ruhig, zufrieden und tätig in meinem ohnedies nicht engen Wirkungskreise leben kann, warum soll ich mich unberufenen Anforderungen bloßstellen und unzeitigen Urteilen preisgeben? Besser, ich widme die Augenblicke meiner Muße jenen Studien, in denen ich mit dem Beifalle der Kenner mir einige Verdienste erworben zu haben und noch erwerben zu können glauben darf.

Die Literatur unseres Vaterlandes mit Ausnahme ihrer eigentlich gelehrten Zweige bietet ja eben kein reizendes Schauspiel dar, und das überall hervorspringende Parteimachen, verbunden mit den anzüglichen Fehden und durchfallenden Klopffechtereien, worauf sich mitunter sogar unsre besseren Köpfe einlassen, ist nicht sonderlich einladend zur Teilnahme. Gar gerne überlasse ich andern das Vergnügen, sich Beulen zu holen, um sie ihren Gegnern mit Zinsen wieder abtragen zu können, und sich dadurch ein gewisses Dreifußrecht zu erwerben, unter dessen Gewaltstreichen sie sich zur literarischen Diktatur zu erheben wähnen. Wehe dieser papiernen Herrlichkeit! Aber wenn wird es anders, wenn besser werden?

Zur Jubilatemesse, 1803.
Rink.


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