Cohn et al. (2019) untersuchen den Kompromiss zwischen Ehrlichkeit und Eigennutz anhand von Feldversuchen in 355 Städten in 40 Ländern, indem sie Brieftaschen liegen ließen und beobachteten, was dann mit diesen geschah. Jemand gab dabei vor, eine Brieftasche (halbtransparent aus Plastik) gefunden zu haben, er sei in Eile und übergab sie einem fremden Menschen an einem öffentlichen Ort wie einer einer Rezeption, einem Bank- oder Postschalter oder einer Polizeiwache. Die halbtransparenten Brieftaschen aus Kunststoff waren dabei mit einer Visitenkarte, einer Einkaufsliste, einem Schlüssel und zufällig auch mit einem mittleren, einem hohen oder gar keinem Geldbetrag gefüllt.
Es zeigte sich, dass Geldbörsen mit Schlüssel unabhängig vom Geldbetrag öfter an den Besitzer retourniert wurden als solche ohne Schlüssel, was vermutlich daran liegt, dass der Schlüssel für den Besitzer Wert besitzt aber nicht für den Finder. Überraschend war, dass je höher die Beträge in den Brieftaschen waren, umso mehr Geldbörsen wurden zurückgegeben, d. h., die Höhe des enthaltenen Geldbetrages beeinflusste die Bereitschaft, sich ehrlich zu verhalten. Als Erklärung vermutet man, dass Menschen beim Behalten größerer Beträge sich eher als Diebe fühlen und mit einem solchen Selbstbild unwohl fühlen, d. h., die psychologischen Kosten sind gewichtiger als der materielle Gewinn. Die Rückgabequoten waren im Hinblick auf den Geldbetrag in allen Ländern vergleichbar, nur die durschnittlichen Quoten in den Ländern äußerst unterschiedlich. Insgesamt fanden knapp weniger als die Hälfte der Brieftaschen zu ihren vermeintlichen Besitzern zurück.
Literatur
Cohn, Alain, Maréchal, Michel André, Tannenbaum, David & Zünd, Christian Lukas (2019). Civic honesty around the globe. Science, doi:10.1126/science.aau8712.
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