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Aha-Erlebnisse schon bei Babys

Es ist eine interessante Frage für die Psychologie, wie es Menschen gelingt, ihre Beziehung zur Welt wahrzunehmen und ihre Fähigkeit zu erkennen, Veränderungen in der Welt herbeizuführen. Beispielsweise sind die Bewegungen von Babys zunächst mehr oder weniger zufällig, aber schon mit wenigen Monaten kann man hinter bestimmten Aktivitäten eine bestimmte Absicht erkennen. Rovee & Rovee (1969) entdeckten, dass selbst sehr kleine Babys keine willenlosen Wesen sind: Ein Kind, dessen Bein mit einem Band an einem Mobile befestigt war, strampelte viel mehr als zuvor, d.h. das Baby entdeckte, dass es den Gegenstand durch seine Bewegungen zum Schwingen bringen konnte.
Experimente von Sloan et al. (2023) mit drei bis vier Monate alten Säuglingen konnten durch eine umfassende koordinative Analyse der Bewegungen des Babys und des Mobiles und ihrer Interaktion zeigen, dass die Entstehung von Handlungsfähigkeit die Form eines punktuellen selbstorganisierten Prozesses annehmen kann, der sowohl in der Bewegung als auch im Stillstand einen Sinn findet. So gingen die Beinbewegungen um etwa ein Drittel zurück, sobald das Mobile von jemandem bewegt wurde, so als ob das Baby kurz innehielte, um das Schauspiel zu betrachten. Die Pausen bzw. der Wechsel zwischen Aktivitätsschüben und Innehalten waren für den Aha-Moment besonders wichtig, denn beides lieferte den Babys wertvolle Informationen. Offenbar handelt es sich nicht, wie früher angenommen, um einen einfachen Belohnungs- und Verstärkungszyklus, sondern hinter den kindlichen Aktivitäten steckt eine echte Erkenntnis, deren Dynamik sich nicht wesentlich von der Erwachsener unterscheidet, die etwas Neues lernen.

Literatur

Rovee, Carolyn Kent & Rovee, David T. (1969). Conjugate reinforcement of infant exploratory behavior. Journal of Experimental Child Psychology, 8, 33-39.
Sloan, Aliza T., Jones, Nancy Aaron & Kelso, J. A. Scott (2023). Meaning from movement and stillness: Signatures of coordination dynamics reveal infant agency. Proceedings of the National Academy of Sciences, 120, doi:10.1073/pnas.2306732120.


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