Ein Jahreswechsel ist für viele Menschen die Zeit für Veränderungen bzw. eher für die Wünsche, im Neuen Jahr etwas zu verändern. Man weiß, dass etwa die Hälfte der Menschen gute Vorsätze für das neue Jahr fassen, doch nur etwa zehn Prozent schaffen es dann auch, diese Vorsätze erfolgreich umzusetzen. Das liegt daran, dass der Alltag von Gewohnheiten bestimmt wird, wobei diese gut im Gehirn verankert sind, sodass es äußerst schwer fällt, diese Gewohnheiten zu verändern. Gewohnheit sind meist das Ergebnis eines zunächst willentlich gesteuerten Lernprozesses, an dessen Ende ein spezifisches, automatisiertes Verhaltensmuster steht.
Gewohnheiten sind nichts anderes als regelmäßig wiederkehrende Verhaltensmuster oder Handlungen, die in der Regel automatisch und ohne bewusste Anstrengung ausgeführt werden. Sie sind ein wichtiger Teil des menschlichen Lebens und können eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der täglichen Routinen, der Produktivität und der Lebensqualität spielen. Gewohnheiten können sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben. Eine Gewohnheit ist daher nichts anderes als ein starkes neuronales Netz zwischen verschiedenen Synapsen und Neuronen im Gehirn, das sehr häufig genutzt wird, d.h. je häufiger man eine Tätigkeit ausübt, desto stärker wird das entsprechende neuronale Netz. In der Lernforschung gibt es dazu einen Merksatz: „Neurons that fire together, wire together“. Und weil das Gehirn von Natur aus energieeffizient arbeiten will, übersetzt es möglichst viele Aktivitäten in Gewohnheiten, nach dem Motto „Use it or lose it“. Eine neue Gewohnheit hingegen kostet das Gehirn erst einmal Energie, zudem fehlt meist der Spaßfaktor und damit der nötige Dopaminkick.
Neujahrsvorsätze sind im psychologischen Sinne übrigens keine Vorsätze, denn solche sind mit einer bestimmten Handlungsintention verbunden. Ein echter Vorsatz muss sich sehr konkret auch auf die Umsetzung beziehen, etwa im Sinne einer Durchführungsvorschrift, sich also genau darauf festzulegen, wie auch mit Hindernissen auf diesem Weg umgegangen werden soll. Übrigens ist der Beginn eines neuen Jahres schon seit der Antike eine Gelegenheit gewesen, Vorsätze zu fassen, denn es beginnt ein neuer noch unbefleckter Abschnitt im Leben, es ist ein Verabschieden eines alten Jahres und der Beginn von etwas Neuem, was immer motivierend wirkt. Bekanntlich wohnt Neuem immer ein gewisser Zauber inne. Im Grunde geht es bei Vorsätzen stets um eine konkrete Planung und die Einsicht, dass die Ziele realistisch sind. Konkrete Planung bedeute dabei aber auch, was man tun kann, wenn man auf Hindernisse stößt und wie man diese überwinden kann. Bei allen Vorsätzen sollte man sich zunächst klar darüber werden, ob die Ziele, die man sich gesteckt hat, aus eigenem Antrieb gewählt wurden. Die Gefahr, dass man fremde Ziele verfolgt, hinter denen man nicht steht, ist oft sehr groß. Möglicherweise möchte man ja sein Körpergewicht nur deshalb reduzieren, weil man dem Partner besser gefallen möchte. Entscheidend ist außerdem, ob manein Mensch ist, der lange zweifelnd über die Dinge nachdenkt oder eher handlungsorientiert ist, also gleich an die Umsetzung geht. Es ist daher bei allen guten Vorsätzen wesentlich, die eigene Persönlichkeit in den Plan miteinzubeziehen. Oft ist es hilfreich, sich gemeinsam mit jemand anderem für das Neue Jahr realistische Ziele zu setzen und sich dann bei Problemen bei der Umsetzung in schwierigen Situationen gegenseitig zu unterstützen.
Es ist für Vorsätze destruktiv ist, etwas mit Gewalt zur Gewohnheit zu machen, denn wenn man diese nicht genießen kann, hat es den gleichen Effekt, wie nichts zu tun. Vielmehr sollte man versuchen, kleine Anpassungen (tiny habits) im Alltag vorzunehmen, denn daraus gewinnt man Vertrauen zu sich selbst, was dann später durchaus in größere Ziele münden kann. Solche kleinen Anpassungen und Verhaltensänderungen müssen leicht und nahtlos in die bestehenden Routinen aufgenommen werden können, d. h., es muss zu einer Automatisierung der Gewohnheiten kommen. Man sollte sich dabei nicht so sehr von Verallgemeinerungen leiten lassen, sondern immer ganz individuelle Lösungen suchen, also vorab zu reflektieren und sich zu hinterfragen: Was ist der beste Weg für mich ganz persönlich? Damit eine neue Verhaltensweise zur Gewohnheit werden soll, muss man diese optimal an alte Gewohnheiten anknüpfen, denn mit kleinen Anpassungen bisheriger Abläufe durchbricht man im Vorhinein mögliche Motivationsschwierigkeiten, denn Motivation ist schließlich etwas, das nicht immer vorhanden ist, sondern kommt und geht.
Vorsätze mit Emotionen verknüpfen
Gefühle, Emotionen sind eine Art beschleunigtes Denken. Also so eine Art Abkürzung des Lernens. Man muss sich nicht groß Sachen überlegen, sondern Du fühlst es in dem Moment. Und die Schaltkreise, die das im Gehirn steuern, sind so robust, dass man darüber sehr schnell Handlungsänderungen umsetzen kann. Und deshalb ist es so wichtig, dass man da nicht so verkopft herangeht, sondern durchaus emotional.
Henning Beck
Das menschliche Gehirn funktioniert ökonomisch, d. h., Verhaltensgewohnheiten bilden sich in neuronalen Strukturen ab und erleichtern das Leben, denn wenn das Gehirn bewährten Pfaden folgt, benötigt es für die Bewältigung des Alltags weniger Energie. Gewohnheiten haben aber den Sinn, den Menschen mehr mentale Energie zur Verfügung, um Wichtigeres zu erledigen, wobei dieses Energiesparen es wiederum schwer macht, ein eingeschliffenes Verhalten zu ändern, denn diese Steuerung liegt in einem Areal des Gehirns, der nicht bewusst kontrolliert werden kann. Daher geben manche Experten beim Scheitern an Vorsätzen der Arbeitsweise des menschlichen Gehirns die Hauptschuld, denn dem Hirn geht es vor allem um Ressourcenschonung, um das Haushalten mit Energie. Das menschliche Gehirn versucht, mit möglichst wenig Aktivierungsenergie auszukommen und versucht lieber so weiterzumachen wie bisher, auch dann, wenn das Leben gerade nicht sehr komfortabel ist. Veränderungen von Strukturen und Funktionen im Bereich des Fühlens, Denkens und Handelns sind nämlich auch stoffwechselphysiologisch aufwendig und teuer, denn das menschliche Gehirn liebt Automatisierung, denn diese spart Energie.
Nichts ist so beständig wie eine Gewohnheit, denn eine solche loszuwerden ist äußerst schwierig, denn auch wenn man äußerst willensstist, wenn man eine Routine umstellen will, legt man sich mit dem härtesten Gegner an, den das Gehirn zu bieten hat: den Basalganglien die das gewohnheitsmäßiges Handeln steuern.
Wichtig bei Vorsätzen ist es, sich konkrete Ziele zu setzen, die auch mit konkreten Handlungsanweisungen verbunden sind, wobei die Menschen sich häufig unrealistische Ziele setzen, die kaum zu erreichen sind, denn sie neigen meist dazu, die Hindernisse, die sich ergeben könnten, einfach auszublenden. Für die Hindernisse sollte man bei einer Veränderung gleich einen Plan B entwickeln. Die Herausforderung bei guten Vorsätzen liegt darin, über den Moment hinaus in die Zukunft zu blicken. Ob der Mensch sich dann für das kurzfristig oder langfristig Angenehme entscheidet, hat auch mit Willenskraft zu tun, denn es gibt Persönlichkeitsmerkmale wie Gewissenhaftigkeit oder Selbstkontrolle, die Menschen mitbringen müssen und die ihnen das Umsetzen von Vorsätzen erleichtern.
Es braucht daher immer mehrerer Monate bis ein halbes Jahr, damit neue Gewohnheiten neue neuronale Strukturen ausbilden. Daher ist es schwierig, von heute auf morgen Vorsätze umzusetzen. Viele Gewohnheiten sind mit Emotionen verbunden, so dass es einer hohen Motivation bedarf, diese zu verändern, und oft ist es das Lustprinzip, das die Veränderung einer alten Gewohlheit verhindert. Der Verstand findet außerdem viele Gründe, warum sich etwas gerade nicht umsetzen lässt, sodass bei eingefahrenen Gewohnheiten stets nur kleine Schritte zum Erfolg führen. Wenn man dann kleine Zwischenziele erreicht, wird die Motivation zum Weitermachen eher geweckt als durch das Feststellen des Scheiterns an einem großen Ziel. Wichtig ist in jedem Fall, sich durch Rückfälle nicht entmutigen zu lassen.
In einer Meta-Analyse fassen Sheeran & Webb (2016) die Forschung über die Beziehungen zwischen Absicht und Verhalten zusammen, um etwa Fragen zu beantworten: „Wie groß ist Lücke zwischen Intentions- und Verhalten? Wann werden Absichten mehr oder weniger wahrscheinlich in Handlungen umgesetzt? Welche Probleme hindern Menschen daran, ihre Absichten zu verwirklichen? Welche Strategien sind vielversprechend, um die Absichts- und Verhaltenslücke zu schließen und den Menschen zu helfen, die Dinge zu tun, die sie vorhaben? Es gibt zwei Hauptgründe, weshalb Intentionen nicht in Handlungen umgesetzt werden, einerseits die Qualität der Intention und die selbstregulatorischen Schwierigkeiten, eine Intention in die Tat umzusetzen. Die Stärke der Intention hängt dabei von der Konkretheit und Schwierigkeit der Ziele ab, d. h., bezieht sich das Ziel auf eine konkrete Handlung und ist es leicht erreichbar. Hinzu kommt die Grundlage der Intention, also kommt der Wunsch nach der Veränderung aus der Person heraus, entspricht diese dem, was die Person für richtig und gut hält oder versucht sie nur, die Erwartungen anderer zu erfüllen. Ebenfalls bedeutsam ist die zeitliche Stabilität der Intention, d. h., wie lange besteht die Absicht zur Handlung. Hinzu kommen nun die selbstregulatorischen Schwierigkeiten, da man entweder nicht beginnt, nicht durchhält oder nicht zu einem Ende kommt. Um solche Hürden zu meistern helfen Implementationsintentionen, indem man sich so lebhaft wie möglich vorstellt, was man erreichen möchten, was man genau tun möchte und was die größten Hindernisse zu seinem Ziel sind. Man sollte sich auch überlegen, wie man das nächste Mal in der entscheidenden Situation handeln möchte , indem man dies in einen klaren Wenn-Dann-Plan formuliert.
Anmerkung: Schon David Hume war davon überzeugt, dass die menschliche Vernunft keine motivationale Kraft besitzt, sondern das, was Menschen bewegt sind die Affekte und die Emotionen. Das bedeutet letztlich für alleVorsätze, dass eine rein kognitive Vorstellung von langfristigen Zielen nicht unbedingt die Selbstkontrolle auf dem Weg dahin befördert, sondern in solchen Entscheidungssituationen muss es dazu kommen, dass die Vorstellung eines langfristigen Ziels eine entsprechende Emotion schafft, d. h., es muss gefühlsmäßig spürbar werden, dass die Entscheidung langfristig etwas Positives bewirkt.
Übrigens: Vielleicht wäre ja die WOOP-Methode etwas für seine Wünsche …
Literatur
Sheeran, Paschal & Webb, Thomas L. (2016). The Intention–Behavior Gap. Social and Personality Psychology Compass, 10, 503-518.
Stangl, W. (1999). Grundformen des Lernens. [werner stangl]s arbeitsblätter.
WWW: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Lernen.shtml (15-01-01)
Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik
WWW: https://lexikon.stangl.eu/6140/gewohnheit/ (15-01-01)
Stangl, W. (2014, 17. Jänner). Was sind Gewohnheiten? Stangl notiert ….
https:// notiert.stangl-taller.at/zeitgeistig/was-sind-gewohnheiten/.
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