*** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Die Methodenlehre in der Psychologie ist stark mathematisiert und sozialwissenschaftlich ausgerichtet. Seit einigen Jahrzehnten spielt jedoch in der Forschung die Biopsychologie eine zunehmend prominente Rolle, wobei die biopsychologische Forschungsmethodik grundsätzlich anders funktioniert als die sozialwissenschaftliche. So ist etwa das Verfahren, das man als „Experiment“ bezeichnet, in der Biopsychologie ein anderes als in der sozialwissenschaftlichen Forschung.
Julia von Thienen hat ein Verfahren zur Methodenanalyse entwickelt, um Inkonsistenzen zwischen Forschungsmethoden und ihren Befunden abzuklären, wobei die Berücksichtigung verschiedener Kausalniveaus hilft, trotz inkompatibler Ausgangsannahmen gemeinsame Wissensbestände und Modelle zu entwickeln. Häufig sind Grundannahmen und Forschungsergebnisse von Psychologie und Neurowissenschaft scheinbar widersprüchlich, was daran lieft, dass die Biopsychologie bzw. Neurowissenschaft ein anderes Verständnis von „Kausalität“ und vom „Experiment“ pflegt als die sozialwissenschaftliche Psychologie. An einigen Stellen gibt es sogar wörtliche Widersprüche zwischen den methodologischen Ausgangsannahmen der beiden Arbeitstraditionen. Um Inkonsistenzen zwischen verschiedenen Forschungsmethoden und ihren Befunden herauszuarbeiten, gilt es herauszufinden, warum ein bestimmtes methodisches Vorgehen von seinen Vertretern jeweils als wissenschaftlich sinnvoll und seriös akzeptiert wird. Brüche der Forschungslogik bestehen allerdings nicht nur zwischen der sozialwissenschaftlichen Psychologie einerseits und der Biopsychologie bzw. Neurowissenschaft andererseits, denn auch innerhalb der sozialwissenschaftlichen, quantitativ-experimentellen Arbeitstradition gibt es konkurrierende Kausalbegriffe. Einige methodische Handlungen basieren hier auf einem liberalen, kontrafaktisch-interventionistischen Kausalverständnis, während an anderen Stellen ein strenger, probabilistisch-nomologischer Kausalbegriff genutzt wird, und wieder anderen Zusammenhängen kommt ein extrem strenges, deterministisches Kausalverständnis zum Tragen. Um wissenschaftliche Verfahren nach ihren methodologischen Vorannahmen zu systematisieren, führt von Thienen Methodenlandkarten ein. Bleibt bei der Befundinterpretation unberücksichtigt, welche Grundannahmen in der Forschung jeweils vorausgesetzt wurden, scheinen sich die Befunde mit der Zeit „merkwürdig zu verhalten“, wenn z. B. unbemerkt vom liberalen zum strengen Kausalverständnis gewechselt wird, kommt später oft Verwunderung oder Frustration auf, weil sich die Befunde nicht wie erwartet replizieren lassen.
Auch entwickeln die neurowissenschaftliche und die sozialwissenschaftliche Psychologie in systematischer Weise verschiedene Methoden der Kausalforschung, denn da sie unterschiedliche Ziele verfolgen, sind auch ihre Gütestandards für Experimente verschieden. In der sozialwissenschaftlichen Psychologie legt man etwa großen Wert darauf, dass Experimente mindestens zwei verschiedene Versuchsbedingungen umfassen (Bedingungsvariation), was in dieser Forschungstradition Sinn macht, weil geklärt werden soll, ob Unterschiede der Ausgangsbedingung bzw. der unabhängigen Variablen geeignet sind, unterschiedliche Ausprägungen der abhängigen Variablen zu erklären. In der Biopsychologie werden jedoch auch Experimente mit einer einzigen Versuchsbedingung aufgesetzt, um Kausalhypothesen zu prüfen, denn die Biopsychologie will ein Kausalgeschehen erklären, indem sie herausarbeitet, wie ein Vorgang physisch abläuft. Unterschiedliche Versuchsbedingungen braucht sie daher nur, wenn es schwer fällt, das interessierende Hirngeschehen von anderen, nicht-interessierenden Prozessen zu unterscheiden. Die resultierenden Kausalurteile der beiden Forschungstraditionen scheinen sich dann teilweise sogar wörtlich zu widersprechen. Umgekehrt artikulieren sogar Kausalsätze, die dem Wortlaut nach gleich klingen, durchaus unterschiedliche Behauptungen.
Um verschiedenen Forschungstraditionen trotz inkompatibler Ausgangsannahmen den Aufbau gemeinsamer Wissensbestände zu ermöglichen, wird das Konzept der „Kausalniveaus“ eingeführt. Kausalniveaus basieren auf unterschiedlichen Maßgaben, von denen sich Wissenschaftler in der Praxis leiten lassen (können). Zum einen wird festgelegt, was überhaupt untersucht werden soll, wenn Ursachen und Wirkungen interessieren. Kommen beispielsweise nur Ereignisse oder auch Eigenschaften als Ursachen in Betracht? Ist es erforderlich, den interessierenden Ablauf raum-zeitlich präzise einzugrenzen? Zum anderen geht es darum, wie Ursachen und Wirkungen beschrieben werden sollen. Ist es bspw. zulässig, werthaltige und teleologische Begriffe in der wissenschaftlichen Theoriebildung zu nutzen?
Biopsychologen und sozialwissenschaftlich orientierte Psychologen arbeiten in der Kausalforschung mit unterschiedlichen Maßgaben – und so gleichsam auf verschiedenen Kausalniveaus. Damit gelingt es ihnen, unterschiedliche Forschungsziele zu erreichen und auch unterschiedliche Muster im Weltgeschehen sichtbar zu machen. Vor diesem Hintergrund argumentiert von Thienen, dass es sinnvoll ist, wenn die Forscher in verschiedenen Arbeitstraditionen auch unterschiedliche methodologische Maßgaben befolgen – obwohl die von ihnen erzeugten Forschungsbefunde so nicht unmittelbar mit einander kompatibel sind. Von Thienen demonstriert in ihrer Arbeit zur Methodenanalyse, wie fachübergreifend konsistente Wissensbestände gebildet werden können, indem ein Geschehen jeweils parallel auf verschiedenen Kausalniveaus beschrieben wird.
Literatur
Von Thienen, J. (2013). Kausalniveaus – Eine Methodenanalyse zur Kausalforschung der Psychologie. Lengerich: Pabst.
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