Kurz gesagt: Medizinisch bedeutet Demenz eine fortschreitende Erkrankung des Gehirns, bei der Gedächtnis, räumliches Orientierungsvermögen und das Sprachvermögen zunehmend beeinflusst werden, wobei die wörtliche Übersetzung aus dem Lateinischen „ohne Verstand sein“ lautet, d. h., der oder die Betroffene verliert die Kontrolle über das Denken und damit über sich selbst. Übrigens nimmt die Häufigkeit von Demenzerkrankungen mit dem Lebensalter zu, denn sind in der Altersgruppe von 70 bis 74 Jahren noch unter vier Prozent betroffen, so sind es bei den 80- bis 84-Jährigen bereits mehr als 15 Prozent, bei den über 90-Jährigen mit 41 Prozent sogar rund zwei Fünftel. In Einzelfällen können aber auch unter 65-Jährige an einer Demenz erkranken.
Vergessen an der Grenze zum Krankhaften
Vielen Menschen fällt es schwer, die Grenzen zwischen normalem Altern und krankhaften Gedächtnisproblemen zu erkennen, sodass für das Krankheitsbild immer noch ein hoher Aufklärungsbedarf besteht. Jeder Mensch kennt die Situation, dass man etwa im Keller steht und nicht mehr weiß, was man da eigentlich wollte, oder man trifft einen Bekannten und dessen Name will einem einfach nicht mehr einfallen. Wo sind also die Grenzen zwischen normalem Altern und krankhaften Gedächtnisproblemen? Was ist der Unterschied zwischen Demenz und Alzheimer? Kann man vorbeugen? Kann man solche Defizite behandeln? Gibt es dafür Therapien? Wann sollte man anfangen? An wen kann man sich wenden?
Karin Gillesberger, klinische und Gesundheitspsychologin der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg in Linz, gibt Hinweise, wie Angehörige von Demenzerkrankten mit dieser Situation umgehen sollten:
Die Sichtweise der Betroffenen anerkennen: Es geht darum, den Respekt zu wahren. Demenzkranke Menschen beharren zum Beispiel oft darauf, immer das selbe Gewand anzuziehen. Es ist dann keine ideale Lösung, darauf zu pochen, dass die Kleidung schmutzig ist und eben gewaschen werden muss. Eine Möglichkeit hingegen ist es, ähnliche Sachen zu besorgen, eventuell mit dem Betroffenen gemeinsam auszusuchen. Es gilt immer eine Lösung zu finden, die für beide passt, denn der Pflegende sollte immer bedenken, dass der Patient weniger Strategien hat, um Konflikte zu lösen. Deshalb müsse der gesunde Mensch dabei federführend mitwirken. Steht etwa ein Mensch mit Demenz im Sommer mit einer Winterjacke vor einem, sollte man nicht schimpfen oder belehren, sondern hilfreicher ist eine wertschätzende, verständnisvolle Kommunikation, auch wenn sie in solchen Situationen viel Geduld erfordert.
Fähigkeiten erkennen und fördern: Der Angehörige sollte genau beobachten, was der betroffene Mensch für Fähigkeiten und Interessen hat. Diese in den Alltag möglichst gut einzubetten und zu fördern, ist das Ziel. Die Aufgaben sollen als wichtiger Beitrag anerkannt werden, damit der Patient nicht das Gesicht verliert. Da muss man eben manchmal respektieren, dass etwas vielleicht nicht so perfekt gemacht ist.
Die Wohnung adaptieren: Alzheimer-Patienten werden oft als stur empfunden. Manche der Konfliktpunkte lassen sich ausräumen, indem die Wohnung adaptiert wird. Es gilt, die Probleme zu erkennen und auszuräumen. Oft ist zum Beispiel die Körperhygiene ein Streitpunkt. Die Pflege fällt leichter, wenn etwa eine bodenebene Dusche installiert wird. Auch wenn lästige Handlungen angenehm gestaltet werden, etwa durch Musik, fallen sie leichter. Mit der Erkrankung verändern sich die Wahrnehmung und das Zeitgefühl, sodass etwa Uhren mit Angaben zum Wochentag und mit Hinweisen wie morgens, mittags, abends hilfreich sein können.
Nicht endlos diskutieren: Der Betroffene kann oft Dinge nicht logisch erklären, sein Standpunkt muss nicht nachvollziehbar sein. Oft schont es also die Nerven aller Beteiligten, wenn fruchtlose Diskussionen vermieden werden. Trotzdem sollte der Standpunkt des Patienten respektiert werden.
Aggressionen und Streit vermeiden: Beides sollte weder unterdrückt noch „ausgehalten“ werden. Am besten ist es, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, das bedeutet, von kritischen Inhalten ablenken, das Thema wechseln oder auch den Raum verlassen, spazieren gehen. Es tut der Betreuungsperson meistens gut, selbst Spannung abzubauen.
Sich nicht selbst die Schuld geben: Fast jedem pflegenden Angehörigen eines Menschen mit Demenz reißt irgendwann der Geduldsfaden. Dann sollte man sich sagen, dass man auch einmal schwache Momente haben darf. Statt sich schuldig zu fühlen, ist es besser zu überlegen, wie sich ähnliche Situationen künftig im Vorfeld bereits verhindern lassen. Man kann seine Ungeduld oft auch auf andere Art wieder gut machen. Taten wirken da oft mehr als Worte. Und oft hat der Mensch mit Demenz die Situation schneller vergessen als der pflegende Angehörige.
Angriffe nicht persönlich nehmen: Betroffene können sich oft nicht mehr so gut ausdrücken, fühlen sich schnell hilflos. Ihre Stimmung hängt vom Hier und Jetzt ab. Statt gekränkt zu sein, sollte der Pflegende sich das ins Gedächtnis rufen. Vom Verhalten des Erkrankten sollten Angehörige sich nicht persönlich angegriffen fühlen. Angehörige sollten sich bewusst machen, dass die Persönlichkeitsveränderung ein Symptom der Erkrankung ist, denn so kann aggressives Verhalten auf Überforderung hindeuten und nächtliche Unruhe auf Harndrang oder Schmerzen.
Gut organisieren: Alzheimer-Patienten vergessen oft, was sie zu tun haben oder was ausgemacht ist. Hilfreich ist es da, viel aufzuschreiben und den Betroffenen an Termine zeitgerecht noch einmal zu erinnern. Immer einen Zettel zum Telefon legen, den Kalender sichtbar aufstellen. Manchen Menschen hilft auch das Handy.
Rituale einführen: Demente Menschen haben oft Angst, ohne genau zu wissen wovor. Was dagegen helfen kann, ist beruhigende Musik, Rituale vor dem Schlafengehen, zum Beispiel noch einmal gemeinsam die Wohnung zu kontrollieren, bevor man ins Bett geht. Generell gilt: Es erleben ist besser, als es zu sagen.
Routine tut gut: Es macht das Leben leichter, wenn der Tag Fixpunkte aufweist. Zum Beispiel immer nach dem Frühstück zu duschen. Der Patient kann sich dann auf den festen Ablauf verlassen. Menschen mit Demenz helfen Strukturen, d. h., um ihnen Sicherheit im Alltag zu geben, sollten Angehörige Vertrautes bewahren, d. h., in der Wohnung sollte alles seinen festen Platz haben, denn sonst können sich Menschen mit Demenz schnell überfordert fühlen.
Beim Orientieren helfen: Schilder auf der WC-Tür, beschriftete Küchenkasteln, ein Fixplatz für Schlüssel, Brille und Geld, denn dadurch kann sich der Patient besser orientieren. Es kann auch helfen, nachts das Licht anzulassen, damit der Weg aufs WC leichter gefunden wird.
Betroffene in den Alltag einzubinden, das können kleine Aufgaben wie Bügeln, Tisch decken, Blumen gießen sein, wobei es nicht um das Ergebnis geht, ob etwa die Blumen auch genügend Wasser haben oder die Wäsche richtig zusammengelegt ist, sondern um Teilhabe.
Hilfe zur Selbsthilfe: Viele demente Menschen befürchten immer wieder, dass sie bestohlen werden. Wenn der Betroffene etwas verlegt und man gibt ihm den Gegenstand zurück, kann es sein, dass er einen als „Dieb identifiziert“. Besser ist es, den Gegenstand so zu deponieren, dass ihn der demente Mensch selbst wieder finden kann.
Hilfe holen: Einen dementen Menschen zu begleiten, ist eine sehr fordernde Aufgabe. Deshalb ist es gut, sich so oft und so viel Hilfe wie möglich zu holen. So bleibt Zeit für die Aufgaben als Ehefrau, Ehemann, Tochter oder Sohn. Stoßen Pflegende regelmäßig an ihre Belastungsgrenze, sollten sie sich keine Vorwürfe machen, sondern sich Hilfe holen. So kann man Betroffene stundenweise in die Tagespflege geben, einen ambulanten Pflegedienst suchen, aber manchmal kann auch der Umzug ins Pflegeheim die beste Lösung sein. Natürlich fällt eine solche Entscheidung keinem leicht, denn sie ist bei vielen Menschen mit einem schlechten Gewissen verbunden. Aber ein solcher Schritt kann auch eine Chance sein, um die Lebenssituation aller Beteiligten zu verbessern, also auch der Pflegenden.
Wie erklärt man Kindern Demenz?
Beim Umgang mit dementen Angehörigen müssen Eltern sowohl die Bedürfnisse der Kinder als auch der Großeltern im Blick haben, wofür es viel Fingerspitzengefühl braucht. Wichtig ist es Kindern Demenz zu erklären, wobei man zuerst die Fakten klarstellen sollte, dass es sich um eine Krankheit handelt und man etwas für das Wohlbefinden tun kann. Dabei sollten Eltern auch jüngere Kinder nicht unterschätzen, denn schon im Alter von acht Jahren können sie fachliche Details verstehen. Heike Elisabeth Philipp-Metzen, Gerontologin und Sozialpädagogin an der Fachhochschule Münster, hat vielen Kindern Vorträge zum Thema Demenz gehalten und dabei erklärt, wie Nervenzellen im Gehirn Informationen weitergeben und dass dies bei Demenzkranken nicht immer so gut funktioniert. Ihre bildliche Erklärung erinnert an das Spiel Stille Post: Die Gehirnzellen unterhalten sich, aber nicht alles kommt an, sodass den Kindern klar wird, warum Demenzkranke manchmal verwirrt oder vergesslich sind. Mit diesem Wissen können Kinder besser verarbeiten, dass ihre Verwandten mit Alzheimer ihren Namen vergessen, sodass die Krankheit ihnen keine Angst mehr macht.
Empfehlung: Eveline Schedlberger hat zu einer Sendung im MDR vom 30. August 2001 ein umfangreiches Arbeitsblatt zu diesem Thema gestaltet: Demenz und Alzheimer (http://eveline-schedlberger.com/npage/Gesundheit%20DEF/demenz.pdf)
Quellen
OÖN Gesundheit vom 9. April 2014.
http://www.t-online.de/eltern/familie/id_71038430/kindern-demenz-erklaeren-stille-post-in-omas-gehirn-.html (14-09-18)
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