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Energieverbrauch des Gehirns

Das Gehirn ist der Hauptenergieverbraucher im Körper und steuert dabei auch die Verteilung der Energie, wobei es durchaus selbstsüchtig handelt, denn erst deckt das Gehirn seinen Bedarf, dann bekommen auch übrigen Organe etwas zugeteilt. Während das Gehirn des modernen Menschen im Ruhezustand fast ein Viertel des gesamten Energiebedarfs des Organismus benötigt, brauchen andere Primaten wie Schimpansen und Gorillas etwa nur acht bis zehn Prozent ihrer Energie an das Gehirn ab, andere Säugetiere sogar nur drei bis fünf Prozent. Vor etwa zwei Millionen Jahren begann bei den Vorfahren des Menschen eine Ausdehnung des Gehirns, da die Hominiden für ihre Gehirne mehr Leistungen erbringen mussten, etwa zum Jagen und Sammeln, was durch eine höhere Energiezufuhr ermöglicht wurde.
Egoistisch wacht das Gehirn also darüber, dass immer genügend Energie für die Denkprozesse bereitstehen. Beobachtet man den Gehalt des Energieträgers Adenosin-Triphosphat (ATP) im Gehirn und in der Muskulatur fastender Menschen, zeigt sich, dass sich schon in relativ kurzer Zeit eine deutliche Differenz in der Energieversorgung feststellen lässt. Obwohl die Masse des Gehirns nur etwa 2 Prozent des Körpergewichts ausmacht, beansprucht es gut die Hälfte der täglich mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate, wobei es unter Normalbedingungen bis zu zwei Drittel der Blutglucosemenge aufnimmt. Kommt noch eine Stressbelastung hinzu, entzieht das Gehirn dem Blut sogar fast 90 Prozent dieses Energieträgers.

Wenn Nervenzellen im Ruhezustand sind, dann sind sie voll aufgeladen und bei einem Nervenimpuls wird dieses Potenzial entladen. Danach müssen sie sich wieder aufladen und für dieses Aufladen benötigen sie Energie. Das geschieht dadurch, indem sie Zucker in elektrische Ladung umwandeln, wobei Nervenzellen dabei Wärme erzeugen, sodass sie zum Wiederaufladen mehr Energie verbrauchen als in der Nervenzelle selber gespeichert ist. Zwar ist die Ladung jeder Nervenzelle nicht sehr hoch, aber da Menschen Milliarden davon besitzen und permanent Millionen davon in Aktion sind, benötigt das Gehirn eine beachtliche Menge an Energie. Allerdings verbraucht das Gehirn nicht viel mehr Energie, wenn man viel nachdenkt, denn dabei sind immer nur wenige Areale aktiv, da ohnehin jeder Teil des Gehirns auch in Ruhe ständig aktiv ist, etwa zur Aufrechterhaltung der Körperfunktionen. In Gehirnscans sieht man daher nur ganz minimale Aktivitätsanstiege, doch würde man die Grundaktivität und die gesteigerte Aktivität auf einem Bild in den richtigen Beziehungen darstellen, wäre diese gesteigerte Aktivität in der Regel überhaupt nicht zu sehen.
Trotz seines großen Energiehungers besitzt das Hirn aber keine großen Speicher für die benötigte Energie, sondern um im richtigen Moment den aktuellen Bedarf an Glucose decken zu können, muss es diese dem Körper aktiv entziehen, gewissermaßen on demand. Er beruht auf dem Pull-Prinzip, wobei erst der Empfänger einer Lieferkette einen Bedarf äußern muss, damit die Lieferung erfolgt. Die Bedeutung dieses Pull-Prinzips wird vor allem in Zeiten von Nahrungsknappheit deutlich, denn dann sinkt der Blutzuckerspiegel, und das Körpergewicht nimmt ab. Auch auf höherer Ebene kann das Gehirn Energie aktiv bestellen, wofür vor allem der Hypothalamus sorgt. Über die Nervenbahnen des Sympathikus bewirkt er im Körper eine Umverteilung der Energieströme zugunsten des Gehirns. Amygdala und Hippocampus informieren z.B. den Hypothalamus über ihren Energiestatus. Besteht ein Energiebedarf, aktiviert dieser den Sympathikus, der bis zu den b-Zellen des Pankreas zieht. Innerhalb von Minuten wird dadurch die Insulinsekretion gegen null gefahren. In der Folge können Muskel- und Fettgewebe keine Glucose mehr aufnehmen, denn im Gegensatz zu GLUT-1 im Gehirn benötigt der Glucosetransporter dieser Zellen (GLUT-4) Insulin zum Arbeiten. Aber auch die Leber wird informiert und dazu aufgefordert, Glucose aus ihrem Speicher an das Blut abzugeben. Alle Energie steht nun dem Gehirn zur Verfügung. Der Blutfluss zum Kopf wird verstärkt, und die Glucoseaufnahme über die Blut-Hirn-Schranke stimuliert. Kontrolliert werden diese Vorgänge durch Energiesensoren im gesamten Gehirn. Sie messen die ATP-Konzentration. Ist überall ausreichend Energie vorhanden, wird der allokative Brain-Pull beendet. Zusätzlich gibt es im lateralen Hypothalamus Neuronen, die an ihrer Oberfläche Glucoserezeptoren tragen, die ständig im Blut den Glucosegehalt messen. Bei einem Mangel wird der Mensch wacher, sein belohnungssuchendes Verhalten angeregt und der Appetit gesteigert, sodass Nahrungssuche und Nahrungsaufnahme erfolgen.

Nach Pulido & Ryan (2021) sind für diesen Energiehunger die Synapsen verantwortlich, also die Schaltstellen zwischen den Nervenzellen, an denen elektrische Signale in chemische Botenstoffe übersetzt und über den synaptischen Spalt zwischen den Zellen transportiert werden. Eine Gehirnzelle verpackt Neurotransmitter in winzige Bläschen, die dann solange auf Vorrat angedockt bleiben, bis ein elektrischer Impuls ihre Freisetzung auslöst. Aus früheren Studien ist bekannt, dass das Packen und Nachfüllen dieser Vesikel viel Energie verbraucht und daher beim aktiven Gehirn einen großen Anteil am gesamten Hirnstoffwechsel hat. Auch wenn die Synapsen nicht aktiv sind, benötigen die dort gelagerten Vesikel tatsächlich ständig Nachschub an chemischer Energie in Form des Moleküls Adenosintriphosphat, wobei das Enzym V-ATPase nicht nur beim Befüllen der Vesikel mit Neurotransmittern aktiv ist, sondern auch, wenn die Bläschen fertig gepackt sind und eigentlich nichts passiert. Die Nervenendungen können offenbar nicht genügend Adenosintriphosphat-Moleküle speichern und müssen diese während ihrer Aktivität synthetisieren, um eine akute Verschlechterung der Leistung zu vermeiden. Die Fähigkeit der bedarfsgesteuerten Adenosintriphosphat-Synthese, die aktivitätsbedingte Adenosintriphosphat-Hydrolyse zu befriedigen, hängt zusätzlich von der Größe der lokalen Stoffwechselprozesse im Ruhezustand ab. Pulido & Ryan (2021) konntenalso  zeigen, dass die synaptischen Vesikel eine Hauptquelle des präsynaptischen Basalenergieverbrauchs sind. Wie man feststellte, ist das Enzym V-ATPase nicht nur beim Befüllen der Vesikel mit Neurotransmittern aktiv, sondern auch, wenn die Bläschen fertig gepackt sind und eigentlich nichts passiert. Der konstante Protonenausstrom ist für rund 44 Prozent des Adenosintriphosphat-Verbrauchs einer ruhenden Synapse verantwortlich, sodass angesichts der enormen Zahl solcher Nervenenden im Gehirn und der Tatsache, dass dieser Energieverbrauch ständig anhält, Synapsen soviel Energie verbrauchen.


Das menschliche Gehirn ist übrigens ein Meister der Energieeffizienz, denn seine rund 100 Milliarden Neuronen kommen mit einer Leistung von etwa 20 Watt aus, während moderne Hochleistungsrechner das Vieltausendfache an Energie benötigen.


Anmerkung: 2009 hat eine brasilianische Neurowissenschaftlerin nachgezählt, indem sie zahlreiche Gehirnproben analysiert und hochgerechnet hat: es sind nicht 100 Milliarden sondern nur 86 Milliarden Nervenzellen, die das Gehirn des Menschen bilden. Wenn man diese Zahl in Relation zu allen anderen Zellen des menschlichen Körpers stellt, der aus 100 Billionen Zellen bestehen soll, wirkt das Gehirn relativ klein, denn nur eine von knapp 1200 Zellen im Körper ist demnach eine Hirnzelle. Diese verbrauchen aber je nach Schätzung zwischen 20 und 25 Prozent der gesamten Energie des Körpers, d. h., jede Gehirnzelle verbraucht viele hundertmal mehr Energie als eine durchschnittliche Körperzelle.


10%-Mythos

Beinahe zwei Drittel der US-Amerikaner sind der Ansicht, dass Menschen tatsächlich nur 10 Prozent ihres Gehirns nutzen, und auch in Großbritannien und den Niederlanden glaubt fast die Hälfte der Lehrpersonen an die Richtigkeit dieses Mythos. Nur weil Menschen nicht alle Hirnbereiche gleichzeitig nutzen, bedeutet das nicht, dass man sie überhaupt nicht nutzt. Bildgebende Untersuchungen zeigen, dass im Verlaufe eines normalen Tages sämtliche Gehirnbereiche zum Einsatz kommen.


Wäre diese oft getätigte Aussage, dass nur zehn Prozent der Neuronen zur selben Zeit aktiv sind, wahr, dann müsste man sich in der Hirnforschung  auf ein besonderes Lernerlebnis fokussieren: den epileptische Schock. Genau das passiert mit dem Gehirn eines Menschen, wenn zu viele Neuronen auf einmal aktiv sind.


Bei bildgebenden Verfahren wie der funktionalen Kernspintomographie sieht es zwar immer so aus, als würden nur einige Areale des Gehirns benutzt, doch wird dabei nur die aufgabenabhängige Zusatzaktivität abgebildet wird, während die gleichzeitig andauernde Grundaktivität nicht sichtbar ist. Der Fokus der Aufmerksamkeit liegt bei solchen Untersucungen immer bei dem, was gerade aktuell wichtig ist. Was der Mensch hingegen tatsächlich nur zu einem kleinen Teil nutzt, sind die theoretisch unendlichen Verbindungsmöglichkeiten zwischen den Neuronen, also zwischen den Synapsen, denn immer, wenn ein Mensch etwas Neues lernt, entstehen solche neue Verknüpfungen und die bereits bestehenden werden verstärkt. Daher kann man durch Lernen auch im Erwachsenenalter viele Teile unseres Gehirns immer effektiver nutzen.

Anmerkung: Manche Menschen denken, dass das Denken das einzige ist, was das Gehirn macht. Das ist falsch, denn in Wirklichkeit ist das Gehirn Tag und Nacht ununterbrochen damit beschäftigt, den ganzen Körper in Ordnung zu halten. Also etwa aufzupassen, dass man geradesteht oder den nächsten Schritt macht, dass man atmet und das Immunsystem funktioniert. Das ist eigentlich die Hauptbeschäftigung. Das Denken leistet das Gehirn nur dann, wenn es anders nicht mehr weitergeht, und zwar deshalb, weil das Hirn ein Energiesparorgan ist, d.h., dass es nur dann denkt, wenn man einen guten Grund dafür hat. Oder wie Gerald Hüther es formuliert: „Ansonsten sitzt man lieber auf dem Sofa und guckt Fernsehen, dann ist das Hirn zufrieden. Und das wiederum lässt sich nur überwinden, indem man sich sagt, dass es keine gute Dauerlösung sein kann. Kurzfristig ist es dem Hirn egal.“


*** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Achim Peters (2011) hat die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das egoistische, menschliche Gehirn zusammengetragen und kommt zu dem Schluss, dass nicht der Blutzucker, sondern der Gehirnzucker bestimmt, wie viel Menschen essen und ob sie dick und Diabetiker werden. Das Gehirn bedient sich nämlich im Zweifelsfalle immer als Erstes, denn unter extremen Hungerbedingungen verlieren die inneren Organe bis zu 40% an Substanz, während das Gehirn nicht auszehrt, sondern maximal bis zu zwei Prozent Gewicht einbüßt. Schon das Ungeborene benötigt die Hälfte aller Energie für sein Gehirn und beim Erwachsenen beansprucht das Gehirn von durchschnittlich 200 Gramm Glukose für sich selbst täglich 130 Gramm. Glukose ist praktisch die einzige Energie, die ein Gehirn akzeptiert, ist aber mangels eigener Produktionsmöglichkeit darauf angewiesen, dass irgendwie anders dieser Zucker vom Blut durch die Bluthirnschranke ins Gehirnwasser und zu den Nervenzellen gelangt. Um das zu gewährleisten, gibt es den brain-pull, d.h., das Gehirn zieht Glukose aus dem Blut, da bei Unterzuckerung, wenn Glukose im Gehirn knapp wird, Ohnmacht und Koma drohen. Das blutzuckersenkende Hormon Insulin ist zwar dazu nötig, Zucker aus dem Blut in andere Organe zu transportieren, das Gehirn selber nimmt indes unabhängig vom Insulin Zucker auf, was ihm erlaubt, von einem hohen Blutzucker zu profitieren. Wenn dieser Brain-pull nicht richtig arbeitet, im Gehirn nicht genug Glukose ankommt, kann dieses über eine ausgeklügelte Hormon-Botenstoff-Befehlskaskade den Blutzucker erhöhen, wobei notfalls der body-pull aktiviert wird, d.h., der Organismus führt Nahrung mit Zuckergehalt zu, oder es initiiert den Such-pull, d.h., das Gehirn schickt den Organismus auf Nahrungssuche. Nach Ansicht von Achim Peters beginnt das übermäßige Essen daher mit einem gestörten body-pull, denn wenn dieser funktioniert, isst man zu viel, gleichgültig, welches Nahrungsangebot zur Verfügung steht. Diese Hypothese erklärt, warum Übergewichtige immer mehr essen, während sie doch ohnehin einen überhöhten Blutzucker aufweisen und ihre Fettdepots voll sind. Das müsste im Regelfall den Appetit zügeln, doch kommt unter dem Postulat „normaler“ Blutzuckerwerte zu wenig vom Überangebot an, denn Insulin liefert die Glukose zwar an die Organe und sorgt für ständig wachsende Energiedepots, doch im Gehirn kommt zu wenig davon an. Den Diabetiker zwingt eine Insulintherapie gleichsam, noch mehr zuzunehmen, und auch Übergewichtige beginnen mit jeder Diät einen Kampf gegen das Gehirn, den sie vermutlich nicht gewinnen können.

Neuere Forschungen an der Universität London und am Max-Planck-Instituts für Hirnforschung in Frankfurt am Main zeigen aber, dass bei der Signalweiterleitung  weniger Energie verbraucht wird als bisher gedacht. Man untersuchte die Signalweiterleitung im Gehirn von Ratten an den unmyelinisierten Axonen, also den Fortsätzen der Nervenzellen, die für den Transport von Signalen zuständig sind, und maß bei der Signalübertragung einen überraschend geringen Energiebedarf. Der Aufbau des dafür nötigen elektrischen Aktionspotenzials in den Axonen brauchte bei den Ratten nur ein Drittel dessen, was frühere Messungen an Tintenfischen nahegelegt hätten. Säuger verwenden auf  Aktionspotenziale nur 1,3 Mal mehr Energie, als theoretisch notwendig ist. während Tintenfische  pro Aktionspotenzial vier mal so viel Energie einsetzen wie theoretisch erforderlich. Die Experten vermuten, dass sich die komplexen Säugetiergehirne überhaupt nur deshalb entwickeln konnten, weil sie so energieeffizient arbeiten.

Körperwissen schlägt das Gehirnwissen bei Energieeffizienz

Auch der gesamte menschliche Körper versucht, effizient mit der ihm zur Verfügung stehenden Energie umzugehen, damit jede Bewegung den Körper immer nur so viel kostet, wie es gerade noch nötig ist. Diese Energieeffizienz war früher in der Evolution überlebenswichtig, ist aber in Zeiten des Übergewichts eher schädlich. So trifft dieser Energiesparmodus auch auf das Joggen zu, wobei mit einer speziellen Kombination aus Schrittlänge und -frequenz das Gehirn dem Menschen eine ökonomische Fortbewegung ermöglicht, abhängig davon, mit welcher Geschwindigkeit er gerade unterwegs ist. Neuere Untersuchungen (Pagliara et al., 2014) bei einem Intervalltraining auf dem Laufband zeigten, dass wenn dabei die Geschwindigkeit geändert wird, sich der Körper innerhalb von nicht einmal zwei Sekunden darauf einstellt und wieder mit so wenig Energieaufwand wie möglich läuft. Man fand auch heraus, dass dabei die Körperintelligenz früh eingreift, also noch bevor die höhere Geschwindigkeit physiologisch etwa durch erhöhten Sauerstoffverbrauch spürbar wird – dieser Effekt tritt erst nach etwa fünf Sekunden ein. Man nimmt daher an, dass im Gehirn Schrittmuster abgespeichert sind, damit der Körper während des Laufens bei der Veränderung der Geschwindigkeit ohne Verzögerung Energie sparen kann.

Die unterschiedlichen Gehirngrößen bei Tieren führt zur Frage, warum die Evolution nicht auch in bei Arten zwangsläufig zur Entwicklung von von größeren Gehirnen führte. Aus evolutionsbiologischer Sicht bedeutet generell der enorme Energieverbrauch des Gehirns, dass im Laufe der Entwicklungsgeschichte die Kosten einer Größenzunahme mit dem Erreichen eines jeweils günstigen Verhältnisses nicht mehr lohnten, d. h., eine weitere Zunahme des Hirnvolumens im Vergleich zur Körpergröße konnten Tieren wie dem Fuchs, dem Rabe oder der  Ratte keinen weiteren Überlebensvorteil verschaffen. Da aber ein leistungsfähiges Gehirn ein hohes Maß an Verhaltensflexibilität ermöglicht, sind besonders jene Arten damit ausgerüstet worden, die auf unterschiedliche Bedingungen reagieren mussten, wie etwa große Temperaturschwankungen oder Änderungen der Nahrungsverfügbarkeit. Somit liegt nahe, dass die Tiere der höheren Breitengrade vergleichsweise große Gehirne in Relation zu ihrer Körpermasse besitzen müssten. Fristoe & Botero (2019) haben die relative Gehirngröße von über zweitausend Vogelarten miteinander verglichen und fanden bei den Arten, die das ganze Jahr über im Norden leben, entweder ein vergleichsweise großes oder ein eher kleines Gehirn. Abgesehen von den Zugvögeln fehlen Arten mit mittlerer Gehirngröße fast vollständig in den kalten und klimatisch variablen Lebensräumen der hohen Breitengrade, wobei es sehr viele Arten gibt, die in diesen Breitengraden auch mit vergleichsweise kleinen Gehirnen gut mit den Bedingungen der Umwelt zurechtkommen. Es zeigte sich, dass kleinhirnige Arten in diesen Umgebungen Strategien anwenden, die mit einem großen und damit teuren Gehirn nicht möglich wären, d. h., diese Arten ernähren sich z. B. von leicht verfügbaren, aber schwer verdaulichen Ressourcen wie Pflanzenknospen, Baumnadeln oder sogar Zweigen. Diese Nahrung können diese Tiere auch bei harten Winterbedingungen finden, aber sie ist faserig und erfordert zur Verdauung einen großen Darm. Darmgewebe ist allerdings energetisch ähnlich teuer wie Gehirngewebe, sodass sich diese Vögel nicht beides leisten können bzw. ein Mittelweg in dem Lebensraum nicht günstig zu sein scheint. Ein großes Gehirn zahlt sich unter den Bedingungen des Nordens offenbar tendenziell erst ab einem eher gehobenen Niveau aus, wobei von den Vorteilen der Intelligenz etwa die Rabenvögel profitieren. Damit wird deutlich, dass sich das Gehirn evolutionär nicht isoliert entwickelt, sondern Teil einer Reihe von Anpassungen darstellt, die Lebewesen helfen, in ihrem Umfeld erfolgreich zu sein.

Abnehmen bzw. Gewichtsreduktion durch Lernen und Denken?

Da das menschliche Gehirn tatsächlich knapp ein Fünftel des menschlichen Energieverbrauchs braucht, könnte man vermuten, dass unser Menschen durch fleißiges Lernen und Denken auch Kalorien abbauen kann. Jedoch verbraucht das Gehirn für geistige Tätigkeiten wie Lernen nicht wesentlich mehr Energie als sonst, denn der größte Teil an Energie fällt für Funktionen an, die auch dann ablaufen, wenn wir man nicht lernt oder sein Gedhirn anderweitig beschäftigt. Dass unser Gehirn auch dann weiter arbeitet, wenn man es nicht aktiv zum Denken benutzet, zeigt etwa das Träumen. Wenn man beim Lernen trotzdem manchmal mehr Kalorien verbrennt als sonst, liegt das an unter Umständen an der körperlichen Anspannung oder Verkrampfung, denn  für die Muskelspannung verbraucht der Körper zusätzliche Energie.

Muskeltraining durch Vorstellung von Bewegung

Forscher haben übrigens herausgefunden, dass auch das Nervensystem mit darüber entscheidet, wie stark oder schwach ein Muskel ist. Für einen Versuch fixierte man einen Monat lang die Handgelenke von Testpersonen, um Muskelschwäche zu erzeugen, wobei eine Gruppe an fünf Tagen der Woche ein Mentaltraining absolvierte, bei dem sich diese starke Muskelanspannungen vorstellten. Es zeigte sich, dass sie fünfzig Prozent mehr ihrer Muskelkraft behielten als Probanden, die in dieser Zeit kein Mentaltraining hatten, sodass man vermutet, dass die Vorstellung einer Bewegung allein die Hirnregionen im Cortex teilweise so anregt wie tatsächliche Muskelanspannung und dadurch dafür sorgt, dass der Muskel gestärkt wird.

Im Traum abnehmen?

*** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Kurioses verspricht ein Sportwissenschaftler in seinem Buch „MindSlimming“, nämlich dass man sich schlank träumen kann, wobei es sich um eine Konditionierung handelt, bei man mit Hilfe eines Ankerwortses körperliche Übungen ohne Anstrengung im Schlaf durchführt. Zu Beginn des Schlafs ist nach seiner Aussage das Unterbewusstsein besonders aufnahmefähig, nämlich dann, wenn man sich im entspannten Zustand (Alphaphase, im Schlafstadium A) befindet. Am Anfang steht bei dieser Methode körperliches Training, bei dem man die Hauptmuskelgruppen in Verbindung mit dem Ankerwort trainiert. Jedes Mal, wenn man die Bewegung einer Übung ausführt, stellt man sich zusätzlich vor, wie die Muskeln zum Beispiel eine Wasserflasche anheben und man spricht bei jeder Bewegung das Wort „Flasche“ aus. Je öfter man diese Übung ausführt, desto stärker verbindet das Gedächtnis die Wasserflasche mit der Übung selbst, wobei es irgendwann genügt, vor dem Einschlafen das Wort Flasche zu denken, dem dabei führt man in Gedanken die Übung mit der Flasche aus, um die entsprechende Körperreaktion abzurufen. Die Übungen werden am Ende des Programms immer weniger werden, und am Schluss ist es ausreichend, die körperlichen Übungen einmal in der Woche durchzuführen, um den Körper nicht vergessen zu lassen, was er beim Aussprechen des Ankerbegriffs umzusetzen hat. An den übrigen sechs Tage muss man sich die Bewegung nur detailliert mit dem Ankerwort ins Gedächtnis rufen.

Siehe dazu Psychologie des Abnehmens.

Literatur

Fristoe, Trevor S. & Botero, Carlos A. (2019). Alternative ecological strategies lead to avian brain size bimodality in variable habitats. Nature Communications, doi:10.1038/s41467-019-11757-x.
Heyn, Gudrun (2009). Metabolisches Syndrom. Das egoistische Gehirn als Ursache.
WWW: http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=28936 (09-01-27)
R. Pagliara, M. Snaterse, and J.M. Donelan (2014). Fast and slow processes underlie the selection of both step frequency and walking speed. Journal of Experimental Biology, 217, , 2939-2946.
Peters, Achim (2011). Das egoistische Gehirn. Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft. Berlin: Ullstein Verlag.
Pulido, Camila & Ryan, Timothy A. (2021). Synaptic vesicle pools are a major hidden resting metabolic burden of nerve terminals. American Association for the Advancement of Science, 7, doi: 10.1126/sciadv.abi9027.
https://www.scinexx.de/news/medizin/warum-unser-gehirn-so-energiehungrig-ist/ (21-12-08)
http://derstandard.at/fs/1252680425340/Unser-Gehirn-setzt-auf-Energieeffizienz (09-09-13)
https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/entweder-oder-bei-der-hirngroesse/ (19-08-23)


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2 Gedanken zu „Energieverbrauch des Gehirns“

  1. Danke für den interessanten Artikel. Der Verbrauch ist ausgerechnet dort am höchsten, wo der Mensch nur 15 % oder so ähnlich nutzt, schon bemerkenswert, da ist wohl echtes Strom sparen angesagt ;).

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