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Wo im Gehirn die Angst abgespeichert wird

Im Gehirn werden Erinnerungen durch selektiv aktivierte Zell-Ensembles (Engramme) organisiert, also durch ganz bestimmte Konstellationen interagierender Zellen. Bekanntlich brennen sich emotionale Erlebnisse besonders stark ins Gedächtnis ein, was nicht nur für schöne Situationen wie eine Hochzeit gilt, sondern vor allem auch für traumatische Erfahrungen wie einen Unfall. Bisher war man davon ausgegangen, dass Erinnerungen ausschließlich im Hippocampus entstehen und später im Cortex gespeichert werden, doch Hasan et al. (2019) haben in Versuchen mit Ratten nachgewiesen, dass Erinnerungen von Angstsituationen auch im Hypothalamus, also einer evolutionär sehr alten Hirnregion, abgebildet werden können. Dieser gedächtnisfördernde Effekt von starken Gefühlen ist evolutionär betrachtet durchaus sinnvoll, denn so prägen sich auf diese Weise etwa vergangene Gefahrensituationen besser ein und man kann sie in Zukunft eher vermeiden.

Bei diesen Experimenten ist es gelungen, bei Ratten genetische Schalter in die Zellen im Hypothalamus einzuschleusen, um die bei einem Angstempfinden aktivierten Oxytocin-Neuronen selektiv zu markieren. Diese markierten Zellen konnten dann in Versuchen durch die Stimulation mit Blaulicht (Optogenetik) aktiviert oder durch Zugabe einer synthetischen Chemikalie (Chemogenetik) stummgeschaltet werden. Als die Forscher diese markierten Zellen aktivierten, bewegten sich die Tiere, die gelernt hatten, sich in einer gefährlichen Umgebung nicht zu bewegen, doch sobald das blaue Licht wieder ausgeschaltet wurde, kehrte die Angst zurück und die Tiere verharrten wieder regunglos. Auf diese Weise konnte gezeigt werden, dass die markierten Zellen das Wissen über die Angst enthalten. Durch das Stummschalten der Engramm-Oxytocin-Neuronen konnte man nachweisen, dass derselbe Schaltkreis auch erforderlich ist, um die Angstgedächtnisse wieder zu löschen. Bemerkenswerterweise erfahren diese Zellen eine enorme Formbarkeit (Plastizität), indem sie von einer langsamen Übertragung, die durch das Neuropeptid Oxytocin vermittelt wird, zu einer schnellen Reaktion durch die schnell aktivierende Glutamatübertragung wechseln.

Möglicherweise ergeben sich dadurch neue Therapieansätze für Menschen mit allgemeinen Angstzuständen und insbesondere mit posttraumatischen Belastungsstörungen zu entwickeln.


Die Extinktion von Furchreaktionen ist ein adaptiver Prozess, bei dem Abwehrreaktionen nach wiederholter Erfahrung von früheren angstbezogenen Reizen ohne Schaden abgeschwächt werden, wobei die Bildung von Extinktionserinnerungen Interaktionen zwischen verschiedenen cortikolimbischen Strukturen erfordert, was dann zu einem reduzierten Output der zentralen Amygdala führt. Die Amygdala des Gehirns besteht aus einer Reihe von Neuronengruppen, die eng miteinander verbunden sind, d. h., sie wirken als Ganzes und lassen eine anatomisch differenzierbare Struktur entstehen. Neuere Studien zeigen jedoch, dass die zentrale Amygdala nicht nur ein Ausgangsrelais für Furchtreaktionen ist, sondern mehrere neuronale Subpopulationen an Neuronengruppen enthält, die interagieren, um das Niveau der Furchtreaktion zu kalibrieren.

Whittle et al. (2021) haben am Mausmodell ebenfalls mittels Optogenetik herausgefunden, dass Neuronen in der zentralen Amygdala neuronale Mikroschaltkreise bilden, die angstbedingte Reaktionen wie Stress oder Angst verstärken oder reduzieren können. Man fand als Regulierung der Angst einen Push and Pull-Mechanismus, durch den einige Neuronen das mit der Angst verbundene Gefühl aktivieren und andere dieses wieder unterdrücken. Wenn das System harmonisch arbeitet, tritt Angst nur dann auf, wenn es wirklich notwendig ist, d. h., Probleme entstehen dann, wenn der Mechanismus aus dem Gleichgewicht gerät. Im zentralen Bereich der Amygdala gibt es neuronale Mikroschaltkreise, die auf Angst spezialisiert sind, denn werden diese Schaltkreise unterdrückt (selektives silencing), führt das zu lang anhaltendem und krankhaftem Angstverhalten, doch wenn sie aktiviert werden, normalisiert sich das Verhalten und Angst tritt nur bei Notwendigkeit auf.

Die Amygdala ist nach neueren Forschungen an Mäusen vermutlich auch eine Vorhersagemaschine für Verhaltensweisen, d. h., die Amygdala macht Vorhersagen in der Weise, dass wenn man X macht, wird man Y bekommen, und passt diese Vorhersagen entsprechend von auftretenden Veränderungen der Situation an. Es gibt keine andere Gehirnstruktur, die so präzise vorhersagen kann, was passieren wird. Jeden Tag führen Menschen Hunderte von Handlungen mit bestimmten Erwartungen aus, und wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden, passen sie ihr Verhalten an, tun etwas anders, oder verfolgen eine Handlung seltener oder öfter. Diese Fähigkeit, das Verhalten auf der Grundlage von Vorhersagen anzupassen, ist für Menschen von grundlegender Bedeutung, allerdings sind manchmal diese Prozesse beeinträchtigt, etwa bei Sucht, bei Depressionen, bei Zwangsstörungen oder Parkinson (Courtin et al., 2022).

Literatur

Courtin ,J., Bitterman, Y., Müller, S., Hinz, J., Hagihara, K. M., Müller, C. & Lüthi, A. (2022). A neuronal mechanism for motivational control of behavior. Science, 375, doi:10.1126/science.abg7277.
Hasan, Mazahir T., Althammer, Ferdinand, Silva da Gouveia, Miriam, Goyon, Stephanie, Eliava, Marina, Lefevre, Arthur, Kerspern, Damien, Schimmer, Jonas, Raftogianni, Androniki, Wahis, Jerome, Knobloch-Bollmann, H. Sophie, Tang, Yan, Liu, Xinying, Jain, Apar, Chavant, Virginie, Goumon, Yannick, Weislogel, Jan-Marek, Hurlemann, René, Herpertz, Sabine C., Pitzer, Claudia, Darbon, Pascal, Dogbevia, Godwin K., Bertocchi, Ilaria, Larkum, Matthew E., Sprengel, Rolf, Bading, Hilmar, Charlet, Alexandre, Grinevich, Valery 2019(). A Fear Memory Engram and Its Plasticity in the Hypothalamic Oxytocin System. Neuron, 103, 133-146.
Whittle, Nigel, Fadok, Jonathan, MacPherson, Kathryn P., Nguyen, Robin, Botta, Paolo, Wolff, Steffen B. E., Müller, Christian, Herry, Cyril, Tovote, Philip, Holmes, Andrew, Singewald, Nicolas, Lüthi, Andreas & Ciocchi, Stéphane (2021). Central amygdala micro-circuits mediate fear extinction. Nature Communications, 12, doi:10.1038/s41467-021-24068-x.


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