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Wo das Gehirn künstlicher Intelligenz überlegen ist

    In einer Studie untersuchen Bartnik et al. (2025), wie das menschliche Gehirn sogenannte Fortbewegungs-Affordanzen erkennt – also Möglichkeiten, sich in einer Umgebung durch Gehen, Schwimmen, Klettern oder andere Bewegungsformen fortzubewegen. Dabei geht es um die Frage, wie unser visuelles System die potenziellen Handlungsoptionen eines Raumes automatisch wahrnimmt, unabhängig von anderen visuellen Merkmalen wie Objekten oder Materialien. Man kombinierten dabei Verhaltensdaten, funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI) und Deep Neural Networks (DNNs), um zu analysieren, wie Fortbewegungs-Affordanzen in realitätsnahen Innen- und Außenraumszenen verarbeitet werden. Dabei zeigte sich, dass das menschliche Gehirn – insbesondere die szenenselektiven Bereiche des visuellen Cortex – Affordanzen auf spezialisierte Weise darstellt. Diese Repräsentationen sind unabhängig von anderen visuellen Kategorien, wie Objektarten, Materialoberflächen oder der allgemeinen Szenenkategorie, und bestehen sogar unabhängig von der spezifischen Aufgabe, die die Versuchspersonen im Scanner ausführten.

    In einer Clusteranalyse der Verhaltensdaten zu sechs typischen Fortbewegungsarten (z.?B. Gehen, Klettern, Schwimmen) zeigten sich drei dominante Dimensionen, entlang derer Menschen Umgebungen in Bezug auf ihre Fortbewegungsmöglichkeiten systematisch gruppieren. Vergleichend dazu schnitten gängige Deep Neural Networks, die auf Objekt- oder Szenenerkennung trainiert wurden, schlechter ab. Ihre internen Repräsentationen korrelierten deutlich weniger mit den menschlichen Affordanzbewertungen und den neuronalen Daten. Selbst DNNs, die speziell auf Affordanzen trainiert oder mit affordanzenzentrierten Sprachmodellen ausgestattet wurden, konnten die menschlichen Wahrnehmungsstrukturen nicht vollständig abbilden.

    Die Ergebnisse legen nahe, dass die Wahrnehmung von Fortbewegungs-Affordanz eine eigene Form der neuronalen Repräsentation darstellt, die über die bisherigen Modelle des visuellen Verstehens hinausgeht. Damit liefert die Studie wichtige Einsichten in die automatische und spezialisierte Verarbeitung von handlungsrelevanter Information im menschlichen Gehirn und verdeutlicht zugleich die aktuellen Grenzen künstlicher Systeme im Nachvollziehen dieser Fähigkeit.

    Literatur

    Bartnik, C. G., Sartzetaki, C., Puigseslloses Sanchez, A., Molenkamp, E., Bommer, S., Vukši?, N., & Groen, I. I. A. (2025). Representation of locomotive action affordances in human behavior, brains, and deep neural networks. Proceedings of the National Academy of Sciences, 122(24), doi:0.1073/pnas.2414005122


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