Die Anwendbarkeit wissenschaftlicher Modelle auf die Praxis steht vor vielen Problemen. Die Praxis fordert nämlich von einem solchen Modell die Lösung von individuellen Problemen, also Aussagen über den konkreten Einzelfall. Von solchen Aussagen ist die Wissenschaft aber nach wie vor weit entfernt.
Wissenschaftler | „Laie“ |
Theorie | Praxis |
Statistik, Tests | |
Wissenschaftliches Arbeiten | Erfahrung |
Systematisches Vorgehen | Regeln und Normen sind von Bedeutung |
Erforschung und zahlenmäßige Belegung | Intuitive Tätigkeit |
Systematische Problemlösung | Spontane Reaktion (Gefühl) |
Zufälliges Vorgehen | |
Handelt rein sachlich | Handelt oft emotionell |
Ist objektiv | Intuition |
Spezialisierung | Flexibilität, anpassungsfähig |
Allumfassend, universell | |
Global | Individuell |
Hinterfragung | Allgemeine Urteile |
Hauptberuflich | |
Bezahlt | Unbezahlt |
Bessere Ausrüstung | |
Neue Wege | Tradition |
Persönliche Erkenntnis | |
Aufgebaut auf wissenschaftlicher Grundlage | Richtet sich nach eigenen Erfahrungen |
Löst Probleme nach erlebtem Vorwissen | |
Objektiv | Beeinflussbar |
Zeitlich begrenzt | Langandauernd |
Analyse von Problemen | Reaktion auf Probleme ohne Rückfrage |
Ständig von der Umwelt kontrolliert | Eher anonym |
Für diese Diskrepanz gibt es mehrere Ursachen:
- Die Realität wird reduziert oder als Störvariable ausgeschaltet.
- Gesetzmäßigkeiten werden in Gruppenuntersuchungen nachgewiesen, wobei minimale Unterschiede bei größeren Stichproben als wissenschaftlich bedeutsam interpretiert werden können.
- Das Forschungsziel liegt oft eher in der Sicherung isolierter Zusammenhänge als im Entwurf praxisverwertbarer Erkenntnisse.
- Wissen ist sehr spezifisch und auf einen engen Realitätsbereich bezogen, was die Vergleichbarkeit nebeneinander bestehender Theorien erschwert.
- Die praktische Verwertung wissenschaftlichen Wissens stößt auf Probleme, da die komplexe Alltagsrealität nicht berücksichtigt wird.
- Merkmale von Alltagstheorien
- Für die Anwendung wissenschaftlich gewonnenen Wissens im Alltag ist es notwendig, einen stärkeren Bezug zu Problemen der alltäglichen Lebensbewältigung und den dabei verwendeten impliziten Verhaltenstheorien herzustellen. Alltagstheorien unterscheiden sich von wissenschaftlichen Theorien durch folgende Merkmale:
- Sie sind von Anfang an an eine komplexe Praxis gebunden, wobei theoretisches Wissen nur marginal gefragt ist.
- Bedingungsvariablen im Alltag sind nicht kontrollierbar und isolierbar; Ereignisse sind meist multikausal verursacht, Ursachen konfundiert und kombinieren sich in unentwirrbaren Wechselwirkungen.
- Alltagshandeln steht unter Zeit- und Handlungsdruck.
- Es muss auf eine Gesamtsituation und nicht nur auf Ausschnitte von Bedingungsvariablen reagiert werden; alltägliches Handeln ist daher multikausal und multifinal.
- Für interaktionales Handeln ist es erforderlich, aus alltagspsychologischen Theorien Erklärungen und Prognosen für individuelles Verhalten abzuleiten, d.h., eine idiographische Strategie zu verfolgen.
Ansätze zur Überbrückung der Kluft
Erst in den letzten Jahren sind erste Ansätze erkennbar, die eine Verbindung zwischen wissenschaftlicher Modellbildung und alltäglichen Verhaltensmustern herstellen wollen. Insbesondere die sogenannte Handlungsforschung (action research) innerhalb der empirischen Sozialwissenschaften hat sich dieser Thematik angenommen und versucht, durch neue Methoden und Vorgehensweisen die Nachteile und Verkürzungen der traditionellen Empirie zu beseitigen.
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