Kinder brauchen unterschiedlich viel Schlaf. Vor allen Dingen ändert sich ihr Schlafbedürfnis im Laufe ihrer Entwicklung erheblich. Es gibt aber einige Erfahrungswerte, die für fast alle Kinder zutreffen. Neugeborene benötigen in den ersten Wochen etwa 16 bis 18 Stunden Schlaf. Sie schlafen fast rund um die Uhr und erwachen nur zum Füttern, Wickeln und Baden. Erst allmählich lernen sie zwischen Tag und Nacht zu unterscheiden. Wie sollten sie es auch den Unterschied kennen, wo es doch im Mutterleib immer schön dunkel und warm war?
Nach etwa einem halben Jahr, beginnen sie den Unterschied zu begreifen. Erst jetzt können viele gestressten Eltern langsam aufatmen. Wenn alles gut verläuft, schlafen die Kinder nun regelmäßig nachts und vor allem mehr als acht Stunden an einem Stück durch.
Im Alter von zwei Jahren benötigen die meisten Kinder nur noch etwa 13 Stunden Schlaf. Im Allgemeinen schlafen sie nachts durch und brauchen nur noch einen zwei- bis dreistündigen Mittagsschlaf, was allerdings immer mehr in Frage zu stellen ist, wenn es dadurch Probleme beim Nachtschaf gibt (s. u.).
4 – bis 6-jährige Kinder schlafen mittags kaum noch und kommen mit 11 bis 12 Stunden Schlaf aus. Kinder im Grundschulalter brauchen im Allgemeinen nicht mehr als 10 Stunden Schlaf. Bei besonders „aufgeweckten“ Kindern hat man beobachtet, dass sie überdurchschnittlich wenig Schlaf benötigen. Ob intelligente Kinder wenig Schlaf brauchen oder ob sie dadurch schlau geworden sind, weil sie öfters wach sind, hat noch niemand herausgefunden. Das heißt natürlich nicht, dass jedes Kind, das nur wenig Schlaf benötigt, gleich ein Genie ist.
Auch ist der Schlafrhythmus der Kinder sehr verschieden. So gibt es ausgesprochene Nachteulen die erst in der tiefsten Nacht zur Ruhe kommen, während andere Kinder früh müde werden, am Morgen aber wie eine Feder aus dem Bett springen.
Probleme mit dem Mittagsschlaf bei Kindern
Neuere Studien haben bewiesen, dass der von Erwachsenen so hoch gehaltene Mittagsschlaf bei kleinen Kindern oft negative Auswirkungen auf die Nachtschlafqualität von Kleinkindern hat. Ganz abgesehen davon, dass es keine Beweise dafür gibt, dass der Mittagsschlaf wirklich wertvoll für die Gesundheit der Kinder ist. Vielmehr wurde deutlich, dass sich das Schlafverhalten von Kindern in den ersten fünf Lebensjahren immer mehr Richtung Nachtschlaf verschiebt, was bedeutet, dass Kinder zwar ausreichend Schlaf für eine gesunde Entwicklung benötigen, jedoch ab dem vollendeten zweiten Lebensjahr am meisten vom Schlaf in der Nacht profitieren. Man findet daher zahlreiche Kinder, die tagsüber keinen Mittagsschlaf machen, insgesamt oft sehr reif und in ihrer Sprachentwicklung sehr weit sind, denn manche benötigen einfach schon früher etwas weniger Schlaf als andere Kinder. Eltern sollten daher ihre Kinder genau beobachten und die vorgegebenen Schlafenszeiten wenn nötig auch einmal hinterfragen, wenn diese wirklich regelmäßig zu Problemen beim Nachtschlaf führen.
Damit Eltern das Schlafbedürfnis des Kindes kennenlernen, sollten sie ein Schlaf-Wach-Tagebuch über drei Wochen führen, in dem festgehalten wird, wann das Kind morgens aufgewacht und abends eingeschlafen ist, wie oft und lange es in der Nacht wach war und ob und wie lange das Kind am Tag geschlafen hat. Wenn sich dabei zeigt, dass der Mittagsschlaf nicht unbedingt notwendig ist, sollte man diesen über einen Zeitraum von mehreren Wochen schrittweise reduzieren, um den abendlichen Schlafdruck zu erhöhen.
Die Schlafforscherin Angelika Schlarb setzt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Schlafstörungen bei Kindern auseinander und hat mehrere Studien dazu gemacht. Nach einer repräsentativen Befragung von Kindern und Jugendlichen im Alter bis zu 18 Jahren haben 19,5 Prozent der Kinder allgemeine Schlafprobleme, 13,0 Prozent Einschlafprobleme, 8,8 Prozent Durchschlafprobleme, wobei diese Schlafstörungen für die Kinder schwere Folgen haben können. Nur ein Teil der Schlafstörungen bei Kindern wie das Schlafwandeln ist reifungs- und entwicklungsbedingt, wobei diese Störungen in der Regel spätestens in der Pubertät wieder abklingen. Doch ein Teil der Kinder nimmt die Störungen mit ins Erwachsenenalter, denn sechzig Prozent der Kinder mit Schlafstörungen behalten das Problem, und haben auch als Erwachsene Schwierigkeiten, ein- oder durchzuschlafen. Wer demnach als Kind schlecht schläft, hat auch als Erwachsener nicht selten Probleme.
Vor- und Nachteile eines Mittagsschlafs
Wird die individuell erforderliche Schlafdauer mit dem Nachtschlaf nicht erreicht, etwa durch Schlafstörungen, spätes Hinlegen oder frühes Wecken, kann durch einen Mittagsschlaf die Gesamtschlafdauer dennoch erreicht werden. Ein Mittagsschlaf wirkt sich positiv auf das deklarative Gedächtnis, wobei insbesondere jene Kinder profitieren, die regelmäßig mittags schlafen, denn der zusätzliche Schlaf kann ihnen helfen, das am Vormittag Gelernte im Gedächtnis zu speichern und später wieder abzurufen.
Vor allem Kinder mit einem späten zirkadianen Typ können von einem Mittagsschlaf profitieren, wobei dieser Abendtypussich sich bei einem Zehnter der Kinder im Alter von 4 bis 6 Jahren findet, die deutlich spätere Zubettgeh- und Einschlafzeiten haben. Die Zeit, zu der sie vollständig wach sind, ist ebenfalls deutlich später, d. h., sie brauchen signifikant länger zum Einschlafen und zum vollständigen Wachwerden. Durch den Mittagsschlaf können diese Kinder die erforderliche Gesamtschlafdauer erreichen.
Allerdings kann der Mittagsschlaf auch unerwünschte Effekte haben, wobei die Dauer des Mittagsschlafs mit einer späteren Zubettgehzeit, einer längeren Einschlaflatenz und einer geringeren nächtlichen Schlafdauer einhergeht. Kinder, die in diesem Alter einen längeren Mittagsschlaf (60 Minuten und mehr) machen, haben signifikant mehr Einschlafprobleme, haben häufiger das Gefühl nicht ausreichend Nachtschlaf zu bekommen und zeigen eine schlechtere Stimmung beim Aufstehen am Morgen. Dies weist darauf hin, dass der Mittagsschlaf in diesem Fall nicht die Folge eines verkürzten Schlafes, sondern die Ursache für die nachfolgenden Schlafprobleme ist. Ein weiterer unerwünschter Effekt des Mittagsschlafes ist die mögliche Schlaftrunkenheit, also das Gefühl nach dem Schlaf nicht vollständig wach und weniger leistungsfähig zu sein. Dieses Gefühl wird meist durch das Aufwachen aus dem Tiefschlaf bedingt. Diese Problematik liegt vermutlich daran, dass sich der Mittagsschlaf qualitativ vom Nachtschlaf unterscheidet, denn im Mittagsschlaf tritt deutlich weniger bzw. kaum REM-Schlaf auf. Das Vermögen, während des Tages ihre Konzentration ohne Mittagsschlaf aufrecht zu erhalten, entwickelt sich bei einigen Kindern früher und bei anderen Kindern später, so dass eine Beendigung des Mittagsschlafes einen Meilenstein in der Entwicklung des Kindes bedeutet. Zeichen, dass ein Kind keinen Mittagsschlaf mehr braucht, sind fehlendes oder stark verspätetes Einschlafen bei adäquater Gelegenheit zum Mittagsschlaf, keine Müdigkeit oder Verhaltensauffälligkeiten, wenn sie keinen Mittagsschlaf hatten.
Frühe Sprachentwicklung im Schlaf
Babys sind einer Vielzahl von Reizen ausgesetzt, und da keine Situation der anderen gleicht, ist jede für diese eine völlig neue Erfahrung, in die das kindliche Gehirn Ordnung bringen muss, um diese neuen Informationen auch im Langzeitgedächtnis zu speichern bzw. ähnliche Erfahrungen in Kategorien zu verallgemeinern. Untersuchungen haben nun gezeigt, dass dafür ausreichender Schlaf notwendig ist, wobei dabei etwa Wörtern erstmals eine Bedeutung gegeben wird. So gelingt es Babys im Schlaf bereits im Alter von sechs bis acht Monaten, Wörtern eine Bedeutung zuzuordnen, wobei das Gedächtnis, das für die Bedeutung von Wörtern zuständig ist, im Schlaf die gleichen Phasen durchläuft, wie sie auch in der typischen lexikalischen Entwicklung ablaufen: Aus sogenannten Protowörtern, die lediglich gleichzeitig auftretende visuelle und akustische Reize miteinander assoziieren, entstehen echte Wörter, die bereits mit Bedeutungen verbunden werden. Untersucht hat man diese Zusammenhänge, indem sie sechs bis acht Monate alte Babys Fantasieobjekte lernen ließen und diese mit Fantasiewörtern, wie „Bofel“ oder „Zuser“ benannten. Dabei wurden Objekte, die sich jeweils nur leicht in Form und Farbe unterschieden, mit dem gleichen Namen benannt. Ganz so wie alle Katzen als „Katze“ bezeichnet werden, auch wenn sie sich im Detail unterscheiden. Diese erfundenen Objekte und Namen wählten die Forscher, um sicher zu gehen, dass die kleinen Studienteilnehmer nicht auf bereits vorhandenes Wissen zurückgreifen konnten. Anhand der kindlichen Hirnreaktion zeigte sich, dass die Babys in dieser Lernphase neue Objekte der gleichen Kategorie noch nicht mit den entsprechenden Namen verbanden. Sie sahen also einen neuen Bofel nicht als „Bofel“ an, obwohl er den bisherigen Bofel-Objekten sehr ähnlich sah. Für die Babys war jedes neue Objekt–Wort Paar noch unbekannt und einzigartig, sie erkannten die allgemeine Beziehung der ähnlichen Paare nicht. Das änderte sich jedoch nach einem Mittagsschlaf, denn bei Babys, die nach der Lernphase geschlafen hatten, konnte das Gehirn in der anschließenden Testphase zwischen den richtigen und falschen Benennungen neuer Objekte unterscheiden, d. h., sie hatten während des Schlafes Wissen verallgemeinert, was Babys, die wach geblieben waren, nicht gelang. Offenbar können Kinder bereits deutlich früher als bisher angenommen über echte Wortbedeutungen in ihrem Langzeitgedächtnis verfügen, auch wenn die für diese Gedächtnisform relevanten Hirnstrukturen noch nicht vollständig ausgereift sind. Offenbar werden erst im Schlaf, wenn das kindliche Gehirn von der Außenwelt abgekoppelt ist, die wesentlichen Zusammenhänge herausgefiltert und gespeichert, sodass sich im Zusammenspiel aus wachem Erleben und den ordnenden Prozessen während des Schlafes sich die frühen kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten entwickeln.
Quelle: https://idw-online.de/de/news679078 (17-08-03)
Literatur
Kurdziel, L., Duclos, K., & Spencer, R. M. (2013). Sleep spindles in midday naps enhance learning in preschool children. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 110, 17267–17272.
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