Fredes et al. (2020) haben die Bildung von Erinnerungen untersucht, indem sie den Signalweg im Hippocampus im Gehirn kontrollierten und zeigten, wie dieser die Bildung von Erinnerungen beim Erleben neuer Umgebungen steuert. Der Hippocampus ist bekanntlich jener zentraler Bereich im Gehirn, der eine zentrale Rolle bei der Übertragung von Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis spielt. Dabei konzentrierte man sich in dieser Untersuchung auf die Verbindung zwischen den Moos-Zellen, die Signale von Sinneseindrücken über die Umwelt empfangen, und den Granule-Zellen, an die diese Informationen weitergeleitet werden. Man verwendete für diese Studie vier verschiedene Ansätze. Als erstes untersuchte man die komplexen Strukturen, mit denen Moos-Zellen und die Granule-Zellen verbunden sind, unter dem Mikroskop. Dann maß man mithilfe gentechnisch veränderter Neurone von Live-Aufnahmen die Neuronenaktivität im Hippocampus von Mäusen, die man in eine neue Umgebung gesetzt hatte. Dabei beobachtete man, dass die Aktivität der Moos-Zellen, die die Signale an die Granule-Zellen sendeten, zunächst hoch war und dann immer niedriger wurde. Als die Mäuse nach einigen Tagen in eine andere neue Umgebung gebracht wurden, stieg die Aktivität wieder an, was zeigt, dass diese Neuronen spezifisch für die Verarbeitung neuer Umwelteinflüsse relevant sind. In einem dritten Ansatz folgte man den Signal-Spuren in Nervenzellen, wobei die Aktivität in den untersuchten Neuronen die Expression eines bestimmten Gens auslöst, was bedeutet, dass dort ein bestimmtes Protein produziert wird. Je mehr Aktivität vorhanden war, desto mehr von diesem Protein fand man danach. In den Granule-Zellen entdeckte man dabei große Mengen des Proteins, die mit der Aktivität der Moos-Zellen korrelierten. Schließlich führte man Verhaltensstudien durch, um die Auswirkungen dieses Pfades im Hippocampus auf die Gedächtnisbildung zu untersuchen. Man kombinierte einen kleinen elektrischen Schock als negativen Reiz mit einer für das Tier neuen Umgebung, wobei die Mäuse schnell lernten, die neue Umgebung mit unangenehmen Gefühlen zu assoziieren, und sie reagierten darauf, indem sie wie festgefroren stillstanden. Diese negative Reaktion war später auch dann messbar, wenn gar kein Schock vorhanden war. Nach dieser Konditionierung verabreichte man den Mäusen Medikamente, um die Aktivität der Moos-Zellen zu hemmen. Als man dann die negative Konditionierung mit den elektrischen Reizen in der neuen Umgebung durchführte, erinnerten sich die Mäuse danach nicht an den Zusammenhang zwischen der neuen Umgebung und dem unangenehmen Gefühl. Falls man die Tiere sich zuerst an die neue Umgebung gewöhnen ließ und erst dann konditionierten, kam es auch zu keinerAktivierung der Moos-Zellen und somit auch zu keinen Zusammenhang zwischen der neuen Umgebung und den Schocks im Gedächtnis der Tiere. Als die Moos-Zellen hingegen künstlich mit Medikamenten aktiviert wurden, konnten sich diese Assoziation auch dann noch bilden, wenn die Tiere bereits an die neue Umgebung gewöhnt waren. Dies zeigt deutlich, wie die Moos-Zellen im Hippocampus auf neuen Input reagieren und bei Mäusen die Bildung neuer Langzeiterinnerungen auslösen. Ob diese Ergebnisse auf das menschliche Gehirn übertragbar sind, ist noch eine offene Frage. Diese Grundlagenforschung könnte aber dazu beitragen könnte, degenerative Hirnerkrankungen zu bekämpfen, die die Gedächtnisbildung beeinträchtigen.
Literatur
Felipe Fredes, Maria Alejandra Silva, Peter Koppensteiner, Kenta Kobayashi, Maximilian Joesch, Ryuichi Shigemoto (2020). Broadband Mie-driven random quasi-phase-matching. Current Biology, doi:10.1016/j.cub.2020.09.074.
https://nachrichten.idw-online.de/2020/10/15/erinnerungen-an-das-neue/ (20-10-20)
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