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Wie Bewegungsmangel und genetische Faktoren das Demenzrisiko beeinflussen

    Was begünstigt die Entwicklung einer Alzheimer-Erkrankung – unsere Gene oder unser Lebensstil? Zwei aktuelle Studien liefern darauf aufschlussreiche, aber auch nachdenklich stimmende Antworten. Die eine beleuchtet, wie stark Bewegungsmangel kognitive Fähigkeiten beeinflussen kann. Die andere zeigt: Selbst bei genetisch vorgezeichneter Alzheimer-Erkrankung lässt sich der Zeitpunkt ihres Ausbruchs möglicherweise verschieben.

    Wenn Sitzen krank macht: Bewegungslosigkeit als unterschätztes Risiko

    Dass Bewegungsmangel ungesund ist, ist keine neue Erkenntnis. Doch dass langes Sitzen – ganz unabhängig von sportlichen Aktivitäten – womöglich unser Gehirn schädigt, dürfte viele überraschen. Eine US-amerikanische Langzeitstudie, veröffentlicht in Alzheimer’s & Dementia, hat über sieben Jahre hinweg mehr als 400 ältere Erwachsene begleitet. Alle waren zu Beginn geistig gesund, im Durchschnitt 71 Jahre alt.

    Die Forschenden statteten die Teilnehmenden mit Smartwatches aus, die ihren Alltag lückenlos dokumentierten: Wie viel bewegten sie sich? Wie lange saßen oder lagen sie? Parallel dazu wurden regelmäßig Gedächtnistests durchgeführt und Gehirnscans gemacht. Das Ergebnis: Im Schnitt verbrachten die Teilnehmenden 13 Stunden pro Tag im Sitzen oder Liegen – und genau diese Inaktivität korrelierte mit kognitiven Einbußen. Selbst wer regelmäßig Sport trieb, konnte die negativen Effekte eines bewegungsarmen Alltags offenbar nicht vollständig kompensieren. Besonders betroffen waren Hirnregionen, die mit Gedächtnis und Orientierung zu tun haben – also genau jene Bereiche, die bei Alzheimer besonders früh abbauen.

    Was genau passiert im Körper bei so viel Untätigkeit? Die Forschenden vermuten, dass längeres Sitzen die Durchblutung des Gehirns verringert und entzündliche Prozesse sowie eine gestörte Insulinverwertung fördert. Biostatistikerin Prabha Siddarth bringt es auf den Punkt: Eine halbe Stunde Bewegung am Tag reicht nicht – entscheidend ist, dass wir lange Phasen der Inaktivität regelmäßig unterbrechen.

    Gene als Taktgeber – aber nicht als Schicksal?

    Während der Lebensstil offensichtlich eine große Rolle spielt, geben auch unsere Gene wichtige Hinweise – vor allem, wenn es um den Zeitpunkt geht, wann die Krankheit einsetzt. Ein Forschungsteam um Cochran et al. (2023) hat eine kolumbianische Familie untersucht, deren Mitglieder eine seltene, aber stark krankheitsverursachende Genmutation im PSEN1-Gen tragen. Diese Mutation führt beinahe unausweichlich zur Alzheimer-Krankheit – und das bereits in jungen Jahren.

    Die Forschenden analysierten das Erbgut von 340 Mutationsträger:innen und fanden: Nicht alle erkrankten gleich früh. Insgesamt 13 genetische Varianten ließen sich mit dem Erkrankungsalter in Verbindung bringen. Besonders auffällig waren drei Veränderungen im CLU-Gen, das mit der Entstehung von Amyloid-Plaques im Gehirn assoziiert wird – einem typischen Kennzeichen von Alzheimer. Auch andere Genorte wie HS3ST1, ACE oder LRP1B scheinen das Risiko zu beeinflussen. Interessant ist: Diese Varianten wirkten in einem genetischen Umfeld, das eigentlich wenig Spielraum lässt – sie könnten den Krankheitsbeginn hinauszögern, wenn auch nicht verhindern.

    Die Studienautor:innen sehen in diesen Ergebnissen mögliche Hebel für künftige Prävention oder personalisierte Therapien: Vielleicht lässt sich das „Wann“ der Krankheit beeinflussen – selbst wenn das „Ob“ genetisch feststeht.

    Was bedeutet das für uns?

    Ob Bewegung oder Genetik – beide Studien machen klar: Alzheimer ist kein Schicksal, das sich allein in der DNA abliest. Lebensstil und Umweltfaktoren beeinflussen, ob und wann sich erste Symptome zeigen. Für Forschung und Prävention bedeutet das: Wir müssen beides zusammendenken. Und im Alltag? Vielleicht fangen wir einfach damit an, öfter mal aufzustehen.

    Literatur

    Cochran, J. N., Acosta-Uribe, J., Esposito, B. T., Madrigal, L., Aguillón, D., Giraldo, M. M., … & Kosik, K. S. (2023). Genetic associations with age at dementia onset in the PSEN1 E280A Colombian kindred. Alzheimer’s & Dementia, 19(9), 3835–3847.
    Siddarth, P., et al. (2023). Sedentary behavior, brain volume, and cognitive decline: Evidence from older adults. Alzheimer’s & Dementia, 19(9), 3835–3847.


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