Eine faktentreue, unverzerrte Medienberichterstattung von wissenschaftlicher Forschung im Bereich der Medizin ist von großer Wichtigkeit für die öffentliche Gesundheit, da Print- und Online-Medien meist die einzigen Informationsquellen zu Gesundheitsthemen für die Öffentlichkeit darstellen. Allerdings werden einschlägige Forschungsergebnisse in den meisten Fällen übertrieben, simplifizierend bzw. effektheischend in den Medien präsentiert. Kerschner et al. (2015) analysierten den Wahrheitsgehalt von Medienartikeln zu Gesundheitsthemen. Man überprüfte dabei Print- und Web-Artikel in relevanten österreichischen Tageszeitungen, Wochenmagazinen und Online-Medien, von denen 60 Prozent stark übertrieben über die Wirksamkeit von Behandlungen und Medikamenten oder die Aussagekraft von Studien berichten, und nur elf Prozent der analysierten Artikel stimmten mit der aktuellen wissenschaftlichen Studienlage überein. Einen relativ geringen Unterschied stellte man zwischen Boulevardmedien („Kronen Zeitung“ sowie Onlineausgaben von „Heute“ und „Österreich“) und Qualitätsmedien (Print- und Onlineausgaben von „Salzburger Nachrichten“, „Presse“ und STANDARD) fest, sinn hier lag die Verteilung von über- bzw. untertreibenden Artikeln bei 64 zu 52 Prozent, alle anderen untersuchten Medien wie die „Oberösterreichische Nachrichten“, der „Kurier“ oder die „Tiroler Tageszeitung“ lagen zwischen diesen Werten. An der Spitze der Realitätsverzerrung mit 97,6 Prozent stehen Artikel zu kosmetischen Behandlungen oder Methoden zur Gewichtsreduktion, wobei Behauptungen wie jene, dass leichtes Frieren das Gewicht reduziert, Coenzym Q10 die Haut verjüngen kann und Cremes und enge Kleidungsstücke Cellulite bekämpfen, wissenschaftlich überhaupt nicht belegt sind. So sind auch 71 Prozent der Medienmeldungen zur angeblich gesundheitsfördernden Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln und Behandlungen, die auch Nichtmediziner vornehmen dürfen, stark übertrieben, wobei die Palette von elektromagnetischen Wundergeräten über Nahrungsergänzungsmittel zur Therapie von Gelenksbeschwerden bis hin zu Wandfarben, die angeblich Allergien bessern, reicht. Auch sind 41,1 Prozent der Behauptungen zur Wirkung zulassungspflichtiger Medikamente und Behandlungen, die nur durch Ärzte durchgeführt werden dürfen, stark übertrieben. Offenbar wollen Medien medizinische Forschungsergebnisse für Laien verständlich aufbereiten und vereinfachen daher oft Inhalte, was dazu führt, dass Unsicherheiten über die berichteten Zusammenhänge und Ergebnisse verschwiegen werden, nicht zuletzt deshalb, weil Journalisten vermuten, dass dies das Verständnis beeinträchtigen könnte. Auch werden die meisten Medien PR-Meldungen von kommerziellen Anbietern weitgehend ungeprüft übernommen, wobei vor allem Anbieter von Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln und medizinischen Behandlungen die Fakten zu ihren Gunsten übertreiben. Übertriebene Presseaussendungen führen daher in vielen Fällen auch zu übertriebenen Medienberichten, denn die meisten Journalisten haben zu wenig Zeit für eine tiefgehende Recherche und sind davon abhängig, verlässliche Informationen von vertrauenswürdigen Quellen zu bekommen.
Die gesamte Studie: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1865921715001087 (15-12-12)
Literatur
Kerschner, B., Wipplinger, J., Klerings, I. & Gartlehner, G. (2015). Wie evidenzbasiert berichten Print- und Online-Medien in Österreich? Eine quantitative Analyse. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität, 109, 341-349.
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