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Was emotionale Gewalt im Gehirn von Kindern anrichten kann

Emotionale Gewalt hat viele Gesichter und ist ein ernstzunehmender Risikofaktor der kindlichen Entwicklung mit oft erschütternden Folgen unter anderem für Persönlichkeitsbildung, psychische Gesundheit, Motivation und Lernerfolg.

Bekanntlich können auch Worte Wunden und Narben bei Menschen hinterlassen, insbesondere bei Kindern, denn Worte können ein Kind erschüttern, tief verletzen, können seine Entwicklung verändern, nachhaltig beeinflussen oder sogar zum Stillstand bringen. Aufgrund der Neurowissenschaften weiß man, dass zwischen einem tatsächlichen Erlebnis und einem solchen, von dem wir nur hören oder über das wir reden, in den Reaktionen des Gehirns kein Unterschied besteht, denn auch bei verbaler Gewalt leuchten die für Angst, Aufregung, Stress oder Vorfreude zuständigen Areale im Scanner auf, gefolgt von den entsprechenden körperlichen Reaktionen. Verbale Gewalt erzeugt also Stress im kindlichen Gehirn und Körper, d. h., Kinder erleben verbale Attacken genauso bedrohlich wie körperliche Gewalt. Man hat in mehreren Studien nachgewiesen, dass der Hippocampus bei Heranwachsenden und Erwachsenen, die als Kinder immer wieder Stress durch emotionale Gewalt ausgesetzt waren, kleiner ist im Vergleich zu den Menschen, die keine Gewalterfahrungen gemacht haben, wobei die Ursache für den zu kleinen Hippocampus vermutlich in der hormonellen Stressverarbeitung liegt, die vor allem bei Kindern unter fünf Jahren störungsanfällig ist. Der Hippocampus spielt eine besonders große Rolle für die Bewertung und Steuerung von Emotionen und die Fähigkeit, mit Emotionen umzugehen, und ist für die Basiskompetenz der Stressbewältigung maßgeblich.

Der Umgang mit Kindern und ihren starken Emotionen, wie etwa Wut, löst sehr häufig Stress bei Erwachsenen aus, besonders dann, wenn Erwachsene als Kinder selbst Gewaltopfer waren, fällt es ihnen höchstwahrscheinlich schwer, entspannt zu bleiben, wenn ein Kind wütend ist. Untersuchungen zeigen, dass wiederholt erlebte verbale Gewalt, wie Beleidigungen, Demütigungen und Drohungen sich als die hauptsächlichen Risikofaktoren für Angsterkrankungen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Borderline-Störungen und Depressionen erwiesen haben. Wenn der übergroße Erwachsene eine bedrohliche Körperhaltung einnimmt, mit dem Kind schreit und Worte benutzt, die verletzen, dann steigt beim Kind der Puls, die Oberflächenspannung der Haut nimmt ab, die Wahrnehmung verengt sich, d. h., der Körper schaltet auf Gefahr um und schüttet Stresshormone aus, bereitet sich auf Flucht, Kampf oder Erstarren vor. Man weiß auch, dass Stress der Hauptauslöser für die Aktivierung nachteiliger Gene in der Epigenetik ist, wobei dieser Stress oft schon in der frühesten Kindheit beginnt. Hinzu kommt die Wirkung der Worte, denn Worte erzeugen unbewusst oder unbewusst Bilder, Assoziationen und starke Gefühle. Das beginnt bereits, bevor Kinder sprechen lernen, d. h., wenn jemand mit einem jungen Kind schimpft oder eine Form verbaler Gewalt anwendet, wird eine ganze Kette in Form von Gefühlen und körperlichen Reaktionen in Gang gesetzt, denen Kinder schutzlos ausgeliefert sind.

Es ist daher notwendig, dass Eltern und andere Erziehende im Anschluss an verbale Gewalt, die manchmal eben nicht vermeidbar ist, ihr Verhalten dadurch wiedergutzumachen versuchen, indem sie sich beim Kind entschuldigent. Ganz egal, wie alt das Kind ist, denn wenn es spürt, dass durch das harsche Verhalten des Erwachsenen die Beziehung gerade abgebrochen wurde, spürt es auch, dass sie durch eine liebevolle und ernst gemeinte Entschuldigung wieder verbunden wird.

Literatur

Ballmann, Anke Elisabeth (2022). Worte wie Pfeile: Über emotionale Gewalt an unseren Kindern und wie wir sie verhindern. Kösel Verlag.


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