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Was bekannte Melodien im Gehirn machen

Demarchi, Sanchez & Weisz (2019) haben die neuronalen Muster beim Hören von Melodien untersucht, wobei sich zeigte, dass wenn man eine Melodie schon kennt, im Gehirn eine Drittelsekunde vor jedem Ton eine darauf abgestimmte Welle schwingt, d. h., das Gehirn erwartet den schon von früher gemerkten Ton und sucht diesen sogar intensiv, falls stattdessen eine Pause kommt. Dieses zu starke Suchen könnte ein Ursache für Tinnitus-Empfänglichkeit sein.

In den Untersuchungen spielte man den Probanden eine ihnen bekannte Melodie aus vier unterschiedlich hohen Tönen mit einem Abstand von 0,333 Sekunden vor und maßen deren Gehirnströme mittels Magnetenzephalografie. Kurz nach jedem Ton zeigten sich im Gehirn schon die tonhöhenspezifischen neuronalen Muster für den Folgeton, d. h., das Gehirn nahm diesen demnach schon 300 Millisekunden vorweg, wobei es sogar einen speziellen Ton erwartet,und nicht irgendeinen. Wenn in den Versuchen ein Ton ausgelassen wurde, traten die selben Muster auf, die Aktivierung war sogar noch stärker, als bei einem tatsächlich angebotenen Ton, d. h., das Gehirn sucht quasi danach, was etwa nützlich ist, wenn man sich in einer lauten Umgebung unterhalten will und nicht jede Silbe des Gegenübers tatsächlich hört. Die Lücken werden dann automatisch vom Gehirn gefüllt, damit man die Gesprächspartner trotzdem versteht. Ein solcher stark ausgeprägter Vorhersageprozess beim Hören kann aber bei manchen Menschen nach einer Hörschädigung dazu führen, Tinnitus zu entwickeln, also Phantomgeräusche zu hören.

Literatur

Demarchi, G., Sanchez, G. & Weisz, N. (2019). Automatic and feature-specific prediction-related neural activity in the human auditory system. Nature Communications, 10, doi:10.1038/s41467-019-11440-1.
Stangl, W. (2019). Stichwort: ‚Tinnitus aurium‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
WWW: https://lexikon.stangl.eu/5156/tinnitus-aurium/ (2017-12-07)


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