Während des REM-Schlafs werden emotionale Erinnerungen im präfrontalen Cortex konsolidiert. Aime et al. (2022) untersuchten die Auswirkungen des REM-Schlafs auf zelluläre und subzelluläre Aktivitäten, die Konnektivität von Mikroschaltkreisen, die Plastizität und das Verhalten. Man quantifizierten dabei, wie sich die somatische und dendritische Aktivität bei Mäusen im Wachzustand, im REM- und im Nicht-REM-Schlaf unterscheidet, und untersuchte, wie Interneuronen diese Unterschiede verursachen. Bei der Beobachtung von Mäusen während des REM-Schlafs fielen eigenartige Vorgänge in den Pyramidenzellen auf, denn während sich der Zellkörper im Tiefschlaf befand, waren die Dendriten im Wachzustand, d. h., die beiden Komponenten der Nervenzelle waren voneinander entkoppelt. Offenbar begünstigt so das Gehirn die Unterscheidungsarbeit der Dendriten zwischen Sicherheit und Gefahr, denn indem gleichzeitig der Zellkörper deaktiviert ist, wird die Weiterleitung negativer Informationen blockiert. Dies ist insbesondere in Hinblick auf die psychische Gesundheit von Bedeutung, denn werden negative Emotionen in zu großer Zahl über den Zellkörper weitergeleitet, kommt es zu einer Überreaktion auf diese, was im schlimmsten Fall eine posttraumatische Belastungsstörung zur Folge haben kann. Bekanntlich speichern die Gehirne von Menschen, die unter Depressionen, Angstzuständen oder posttraumatischen Belastungsstörungen leiden, vor allem negative Emotionen. Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass auch der Schlaf der erkrankten Menschen bei der Manifestierung negativer Inhalte eine Rolle spielen könnte, indem bei posttraumatischen Belastungsstörungen die somatodendritische Entkopplung während der REM-Phase nicht stattfindet oder beeinträchtigt ist. So könnten negative Emotionen letztendlich doch weitergeleitet und nicht verarbeitet werden und dadurch zu Traumata führen.
Literatur
Aime Mattia, Calcini Niccolò, Borsa Micaela, Campelo Tiago, Rusterholz Thomas, Sattin Andrea, Fellin Tommasoc & Adamantidis Antoine (2022). Paradoxical somatodendritic decoupling supports cortical plasticity during REM sleep. Science, 376, 724-730.
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