Die Annahme, man könne Lügen zuverlässig am Verhalten erkennen, ist ein weitverbreiteter Mythos, der wissenschaftlich nicht haltbar ist. Einzelne Studien berichten zwar gelegentlich über Unterschiede im Verhalten zwischen lügenden und wahrheitsgemäß sprechenden Personen, jedoch sind diese Effekte über viele Studien hinweg sehr klein, inkonsistent und durch individuelle Unterschiede stark verzerrt.
Meta-Analysen zeigen, dass Menschen – inklusive professioneller Gruppen wie Polizistinnen oder Richterinnen – Lügen mit durchschnittlich nur 54 % Genauigkeit erkennen, was kaum besser als Zufall ist (Bond & DePaulo, 2006). Trainings zur Lügenerkennung, bei denen man etwa auf Mikroexpressionen oder bestimmte Körpersignale achten soll, erweisen sich ebenfalls als ineffektiv, da es keine konsistenten Verhaltensmarker für Lügen gibt (Hauch, Sporer, Michael, & Meissner, 2016).
Die weitverbreitete mediale Darstellung – etwa in Fernsehserien – trägt dazu bei, falsche Vorstellungen zu verbreiten. Diese Formate stützen sich oft auf Theorien wie jene von Paul Ekman, die in wissenschaftlichen Studien nicht zuverlässig bestätigt wurden. Kommerzielle Trainingsangebote greifen solche Vorstellungen auf und vermarkten sich mit selektiver Nutzung von Studienergebnissen, obwohl übergeordnete Forschung deren Nutzen nicht stützt. Zudem wird in der Praxis die vermeintliche Treffsicherheit solcher Trainings durch Rückmeldungseffekte verzerrt – man erinnert sich vor allem an richtig erkannte Lügen, nicht aber an jene, die unentdeckt blieben. Aus wissenschaftlicher Sicht wird daher empfohlen, den Fokus von der Interpretation nonverbalen Verhaltens auf die Analyse inhaltlicher Aussagen zu verlagern. Die Prüfung des Was statt des Wie gilt in Studien als wesentlich aussichtsreicher für das Erkennen von Unwahrheiten (Vrij, 2008).
Literatur
Bond, C. F., & DePaulo, B. M. (2006). Accuracy of deception judgments. Personality and Social Psychology Review, 10(3), 214–234. https://doi.org/10.1207/s15327957pspr1003_2
Hauch, V., Sporer, S. L., Michael, S. W., & Meissner, C. A. (2016). Does training improve the detection of deception? A meta-analysis. Communication Research, 43(3), 283–343.
Stangl, W. (2015, 15. Juni). Lügen, Täuschen und Verdecken. [werner stangl]s arbeitsblätter.
https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/KommLuegen.shtml
Stangl, W. (2015, 15. Juni). Entdecken von Lügen, Hinweise. [werner stangl]s arbeitsblätter.
https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/Luegen-Hinweis.shtml
Vrij, A. (2008). Detecting lies and deceit: Pitfalls and opportunities (2nd ed.). Chichester, UK: Wiley.
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