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Wartestress und Lügenneigung

Es gibt Studien, die eindeutig darauf hinweisen, dass Wartezeiten, insbesondere wenn sie mit Unklarheit und dem Gefühl einhergehen, in einer Situation keine Kontrolle zu haben, signifikanten Stress auslösen können. Dieser Stress ist nicht nur ein diffuses Gefühl des Unbehagens, sondern kann sich in konkreten physiologischen Reaktionen wie erhöhtem Herzschlag und erhöhtem Blutdruck manifestieren. Wenn zu diesen Faktoren auch noch Täuschung oder Lügen hinzukommen – etwa, wenn Menschen in einem Warteprozess nicht wahrheitsgemäß über die voraussichtliche Dauer oder den tatsächlichen Grund der Verzögerung informiert werden – kann dies den bereits vorhandenen Stress erheblich verstärken und zu einem Gefühl der Hilflosigkeit und des Misstrauens führen. Das Wissen, dass man belogen wird, untergräbt das Vertrauen in die Institution oder Person, die die Wartezeit verursacht, und verstärkt das Gefühl der Ohnmacht.

Der Akt des Lügens erfordert oft eine deutlich größere kognitive Anstrengung als die einfache Wiedergabe der Wahrheit. Man muss sich alternative Szenarien ausdenken, diese detailliert im Gedächtnis behalten und gleichzeitig die Reaktionen des Gegenübers aufmerksam beobachten, um die Glaubwürdigkeit der eigenen Darstellung sicherzustellen und potenzielle Widersprüche zu vermeiden. Diese ständige Überwachung und Anpassung der eigenen Aussagen beansprucht die mentalen Ressourcen erheblich. Stress, wie er beispielsweise durch unerträglich lange Wartezeiten verursacht werden kann, erhöht die kognitive Belastung zusätzlich, wodurch die Fähigkeit zu rationalem Denken und zur Selbstkontrolle weiter eingeschränkt wird. Dies kann dazu führen, dass Menschen eher zu Lügen neigen, um die Situation zu vereinfachen, unangenehme Konsequenzen zu vermeiden oder einfach nur, um das Gefühl der Kontrolle zurückzugewinnen. Sie sehen in der Lüge einen Ausweg aus der belastenden Situation.

Ebenso wird durch Stress die Ausschüttung von Cortisol, dem sogenannten Stresshormon, im Körper erhöht. Ein erhöhter Cortisolspiegel hat nachweislich einen negativen Einfluss auf eine Vielzahl von kognitiven Prozessen, darunter das Gedächtnis, die Entscheidungsfindung und die Impulskontrolle. Dies bedeutet, dass Menschen unter Stress nicht nur weniger in der Lage sind, die Wahrheit zu sagen, sondern auch Schwierigkeiten haben, die langfristigen Konsequenzen ihrer Lügen abzuschätzen. Sie handeln impulsiver und weniger rational.

Lange Wartezeiten können darüber hinaus zu Frustration, Ärger und einem Gefühl der Ungerechtigkeit führen. In solchen emotional aufgeladenen Situationen neigen Menschen eher dazu, unehrlich zu sein, um ihren Unmut auszudrücken, sich einen Vorteil zu verschaffen oder einfach nur

Die Erfahrung von Unsicherheit und mangelnder Transparenz in schwierigen Situationen kann tiefgreifende Auswirkungen auf das Vertrauen und das Wohlbefinden haben. Wenn Menschen sich in einer Situation befinden, in der sie das Gefühl haben, nicht die ganze Geschichte zu kennen oder sogar getäuscht zu werden, untergräbt dies nicht nur das Vertrauen in die beteiligten Personen, sondern auch in die Situation selbst. Dieses Misstrauen nährt ein Gefühl der Unsicherheit, das sich wie ein Schatten über die gesamte Erfahrung legt. Man verliert den Halt, das Gefühl, sich auf etwas oder jemanden verlassen zu können, was zu einem Zustand ständiger Alarmbereitschaft und Anspannung führt.

Die Forschung zu Stress und Wartezeiten, insbesondere im Kontext von Dienstleistungen oder Entscheidungen, zeigt immer wieder, dass Ungewissheit einer der Hauptfaktoren für Stress ist. Stellen Sie sich vor, Sie warten auf ein wichtiges Untersuchungsergebnis, eine Beförderung oder die Klärung einer dringenden Angelegenheit. Die Zeit dehnt sich ins Unermessliche, und jede Minute ohne Information fühlt sich wie eine Ewigkeit an. Wenn dann noch das Gefühl hinzukommt, dass Ihnen nicht die volle Wahrheit gesagt wird oder dass Informationen bewusst zurückgehalten werden, verschärft sich die Situation dramatisch. Menschen sind von Natur aus darauf ausgelegt, Muster zu erkennen und die Welt um sie herum zu verstehen. Wenn diese Fähigkeit durch mangelnde Transparenz oder gar Täuschung untergraben wird, fühlen sie sich hilflos und ausgeliefert.

Die Kombination aus einer langen Wartezeit – in der die Ungewissheit bereits nagt – und einer mangelnden Kommunikation oder sogar dem Verdacht auf Täuschung kann einen sogenannten Kognitiven Dissonanz-Effekt auslösen. Dieser Effekt beschreibt einen Zustand psychischen Unbehagens, der entsteht, wenn die Wahrnehmung der Realität und die Erwartungen einer Person in Konflikt stehen. Beispielsweise könnte man erwarten, dass ein Unternehmen ehrlich und transparent kommuniziert, wird aber stattdessen mit Ausflüchten oder widersprüchlichen Aussagen konfrontiert. Diese Diskrepanz erzeugt inneren Stress und den Drang, die Dissonanz aufzulösen, sei es durch Rationalisierung, Verleugnung oder das Suchen nach Bestätigung für die eigenen Zweifel. In jedem Fall führt die kognitive Dissonanz zu einem weiteren Anstieg des Stresspegels und kann das Vertrauen in die Institution oder die beteiligten Personen nachhaltig schädigen.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass Stress nicht zwangsläufig dazu führt, dass Menschen zu unlauteren Mitteln greifen oder gar lügen. Die Entscheidung, ob jemand unter Druck die Wahrheit sagt oder nicht, ist komplex und hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Dazu gehören die Persönlichkeit, moralische Werte und die spezifische Situation. Es handelt sich dabei also immer um eine Wechselwirkung, die von vielen Faktoren beeinflusst wird.

Literatur

Stangl, W. (2025, 26. Februar). Kognitive Dissonanz. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
https:// lexikon.stangl.eu/755/kognitive-dissonanz.


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