Wissenschaftler erforschten gemeinsam mit Tänzern und Tanzpädagogen, ob Tänzer eine Schrittfolge besser durch Sehen oder Hören lernen, etwa wenn ein Tanzlehrer diese zunächst vormacht, oder wenn er sie erst ausschließlich mündlich erklärt. Bekanntlich wird in Forschung und Tanzpraxis davon ausgegangen, dass Bewegungsmuster am besten durch Beobachtung gelernt werden können. In der Studie von Bläsing et al. (2014) wurde zwischen dem Beobachtungslernen anhand einer vorgemachten Tanzfolge und dem Lernen durch eine mündliche Anweisung unterschieden. Tanzstudentinnen und -studenten lernten jeweils zwei Tanzfolgen, einmal zunächst durch Anschauen und einmal durch Hören. Dabei wurde den Teilnehmer und Teilnehmerinnen ein Video gezeigt, in dem die Abfolge vorgetanzt wird, ohne dass sie erläutert wird, wobei die Probanden und Probandinnen sich das Video bis zu fünf Mal anschauen durften, durften proben und mussten dann die Phrase vorführen, wobei die Vorführung auf Video aufgezeichnet wurde. Danach hörten sie zweimal die mündliche Anweisung zur gleichen Phrase und tanzten wieder vor, wie gut sie die Abfolge gelernt hatten. Im zweiten Teil des Experiments lernten sie eine weitere Schrittfolge, doch erhielten sie zuerst die mündliche Anweisung, die sie fünf Mal anhören durften, um sie nach kurzer Probe selbst vorzuführen. Danach durften sie zweimal ein Video anschauen, in dem die Phrase vorgetanzt wird. Zehn Tage nach dem Experiment mussten die die Probanden beide Phrasen vorzutanzen. Es zeigte sich dabei, dass wenn eine Tanzfolge vor allem über das Sehen eingeprägt wurde, diese auch nach längerer Zeit besser wiedergegeben werden konnte als wenn sie hauptsächlich über das Hören vermittelt worden war. Beobachtungslernen funktioniert bei Tanzen also tatsächlich besser als Lernen durch bloße Instruktion. Eine Befragung der TänzerInnen belegte außerdem, dass eine visuell gelernte Tanzphrase besser gefiel und dass man sich in der Ausführung sicherer fühlte, wenn man vor allem durch Beobachtung gelernt hatte.
Tänzer reagieren auf Emotionen stärker als Nichttänzer
Tanz gilt in vielen Kulturen als eine Form der sozialen Interaktion und des emotionalen Ausdrucks, wobei geschulte Tänzer Emotionen nicht nur transportieren, sondern dadurch den Gefühlsausdruck anderer Menschen besser verstehen können. Beim Vergleich von Balletttänzern und Menschen ohne Tanzerfahrung, bei denen sie nach Betrachtung von Videos ihre emotionale Reaktion beschreiben sollten, zeigt sich, dass zwar alle Probanden die in den Videos dargestellten Gefühle richtig identifizierten konnten, allerdings reagierten die Balletttänzer sehr viel stärker darauf als die Teilnehmer der Kontrollgruppe, was auch anhand physiologischer Reaktionen bestätigt werden konnte. Vermutlich erhöht bei Tänzerinnen das Training des körperlichen Ausdrucks von Gefühlen die individuelle Empfindsamkeit gegenüber solchen Gefühlen (Christensen et al., 2016).
Übrigens: Wenn Menschen etwas Motorisches wie die Schritte in einem Tanzkurs lernen wollen, dann kommen sie zwar um Übung nicht herum, doch sie müssen nicht immer gleich ihre Tanzschuhe anziehen und über das Parkett wirbeln, um sich beim Tanzen zu verbessern. Dabei macht man sich zu Nutze, dass das menschliche Gehirn nicht so richtig zwischen Realität und Vorstellung unterscheiden kann. Wenn Menschen die Bewegungsabläufe im Kopf durchgehen, dann kann das ebenfalls schon helfen. Viele Leistungssportler nutzen übrigens diese Eigenschaft des menschlichen Gehirns, um ihre Trainingssessions zu erweitern.
Literatur
Bläsing, B., Coogan, J., Biondi, J., Simmel, L. & Schack, T. (2014). Motor learning in dance using different modalities: visual vs. verbal models. Cognitive Processing, dx.doi.org/10.1007/s10339-014-0632-2.
Christensen, J.F., Gomila, A., Gaigg, S.B., Sivarajah, N. & Calvo-Merino, B. (2016). Dance expertise modulates behavioral and psychophysiological responses to affective body movement. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 42 (8), 1139–1147.
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