Attribuierung des menschlichen Verhaltens auf Grund der genetischen Ausstattung sind nicht zuletzt durch die zahlreichen Forschungsanstrengungen in dieser Domäne häufiger geworden. Während genetische Attributionen für das Verhalten meist als relevant für die Beurteilung der Verantwortlichkeit der Betroffenen angesehen werden, ist noch unklar, ob nicht auch Urteile über die Verantwortlichkeit selbst Auswirkungen auf genetische Attributionen haben können.
In mehreren Studien (Lebowitz et al., (2019) informierten sich die Probanden über Menschen, die sich prosozial oder unsozial verhalten, und bewerteten dabei das Ausmaß, in dem sie glaubten, dass die Genetik eine Rolle bei der Entstehung des konkreten Verhaltens spielt. Dabei wurde asoziales Verhalten konsequent als weniger genetisch beeinflusst eingestuft als prosoziales Verhalten, und zwar unabhängig davon, ob in den Informationen genetische Erklärungen explizit angegeben oder widerlegt worden waren. Benimmt sich also jemand anständig, halten das viele Menschen zu einem wesentlichen Teil als Ergebnis von guten Genen, die für gute Taten verantwortlich sind. Vermutlich resultiert diese Asymmetrie aus dem Wunsch der Mensche, Übeltäter für ihr Handeln verantwortlich zu machen.
Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass diejenigen, die den Einfluss genetischer Erklärungen auf die Bewertung beispielsweise asozialen Verhaltens untersuchen oder nutzen wollen, überlegen sollten, ob solche Erklärungen überhaupt akzeptiert werden.
Übrigens: In manchen Bereichen der Wissenschaft, auch in der Psychologie, hat man sich zu sehr auf die Gene konzentriert, da diese durch die Sequenzierung leichter untersuchbar waren als etwa ständig wechselnde Umweltbedingungen. Inzwischen weiß man aber, dass sich nicht nur die Gehirne von Kindern und Jugendlichen noch verändern, sondern auch die Gehirne von Erwachsenen, etwa durch den Lebensstil, also die Art und Weise, wie sie leben.
Literatur
Lebowitz, Matthew S., Tabb, Kathryn & Appelbaum, Paul S. (2019). Asymmetrical genetic attributions for prosocial versus antisocial behaviour. Nature Human Behaviour, doi:10.1038/s41562-019-0651-1.
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