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Selektive akustische Wahnehmung

Permanent strömen Geräusche und Bilder der Umwelt über die Sinnesorgane in das Gehirn, deren Informationsflut das Gehirn des Menschen überfordern würde, wenn das Gehirn die wichtigen Reize nicht herausfiltern würden. Durch diese kognitiven Filter kann es erst jene Eindrücke bevorzugt bearbeiten, die zum Überleben und Funktionieren wichtig sind, was einen evolutionär sinnvollen Mechanismus darstellt, der Menschen gezielter und schneller reagieren lässt, etwa bei einer Bedrohung können diese schneller flüchten und müssen nicht erst darüber nachdenken, was das genau für ein Geräusch ist. Das wird auf neuronaler Ebene dadurch ermöglicht, dass das Gehirn schon auf ganz frühen Verarbeitungsstufen zwischen neutralen und emotional bedeutsamen Geräuschen unterscheidet.
Interessanterweise spricht besonders das Hörzentrum stark auf emotional bedeutsame Geräusche an, was sich u.a. im Cocktailparty-Phänomen deutlich zeigt: Wenn man sich im Gedränge einer Party etwa auf ein bestimmtes Gespräch konzentriert, so vernachlässigt man alle anderen Stimmen im Raum. Fällt jedoch unerwartet der eigene Name in einem entfernten Gespräch, so wechselt die Aufmerksamkeit sofort und man hört dort bewusst zu. Das bedeutet, es gibt einen Wechsel der Bewusstseinsinhalte, der unbewusst gesteuert wird. Dazu muss vorher ein Suchprozess präattentiv ablaufen, der nur dann Information ins Licht der Aufmerksamkeit rückt, wenn sie dem Subjekt wichtig erscheint. Zu emotional bedeutsamen Reizen zählen aber auch ein Kinderweinen oder -lachen, ein bedrohlich knurrender Hund, was dazu führt, dass sich der Mensch entweder annähert oder distanziert.
Mögliche Erklärung für den Cocktailparty-Effekt: Nach einer Untersuchung von Gruters et al. (2017) bewegt sich allerdings auch das menschliche Trommelfell synchron mit den Augen, indem es sich dabei nach den Bewegungen der Augen ausrichtet. Bei einem Blick nach links wird das Trommelfell des linken Ohres weiter in das Ohr gezogen, während das im rechten Ohr herausgedrückt wird, ehe sie beide ein paar Mal hin und her schwingen. Die Veränderungen beginnen dabei zehn Millisekunden vor der Augenbewegung und halten auch noch kurz danach an. Dabei dürfte diese synchrone Ausrichtung von Auge und Ohr vom Gehirn koordiniert werden.

Menschen, die ein Hörgerät brauchen, fällt es besonders schwer, bei lauter Geräuschkulisse anderen zuzuhören. Whitton et al. (2017) haben in einer Studie bei Senioren mit leichten bis mittelschweren Hörproblemen ein Computerspiel entwickelt, mit dem sich von Betroffenen diese Fähigkeit effektiv trainieren lässt. Ein erhöhtes Sprachverständnis in Folge des Trainings beruht dabei nicht auf einem gesteigerten Hörvermögen oder auf einem besseren Signal vom Ohr an das Gehirn, vielmehr verbessert sich die Fähigkeit, dem Gehörten einen Sinn zu geben. Das Training verbessert also den Einsatz der kognitiven Ressourcen, einschließlich der selektiven Aufmerksamkeit beim Hören. Die Teilnehmer lernen durch das Computerspiel, den Lärm effektiver auszublenden und zwischen dem Gesprochenen und den Störgeräuschen im Hintergrund besser zu unterscheiden. Für einen dauerhaften Effekt müssen die Betroffene dabei regelmäßig üben.

Literatur & Quellen

Gruters, Kurtis G.,Murphy, David L. K., Smith, David W., Shera, Christopher A. & Groh, Jennifer M. (2017). The eardrum moves when the eyes move: A multisensory effect on the mechanics of hearing. bioRxiv, doi: https://doi.org/10.1101/156570.
Whitton, J. P., Hancock, K. E., Shannon, J. M. & Polley, D. B. (2017). Audiomotor Perceptual Training Enhances Speech Intelligibility in Background Noise. Current Biology, 27, 1-11.
https://lexikon.stangl.eu/1597/cocktail-party-phaenomen/ (11-01-02)


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