Gesichtsausdrücke sind bekanntlich entscheidend für soziale Interaktionen. Wie man weiß, erhöht akuter Schlafmangel die Reaktionsfähigkeit des Gehirns auf positive und negative affektive Reize. Van Egmond et al. (2022) überprüften daher die Hypothese, dass Menschen trotz der bekannten verminderten Aufmerksamkeit aufgrund von akutem Schlafmangel länger auf glückliche, wütende und ängstliche Gesichter blicken als auf neutrale Gesichter, wenn sie unter Schlafentzug leiden. Sie untersuchten auch, ob Gesichtsausdrücke nach akutem Schlafverlust anders wahrgenommen werden. An der vorliegenden Studie nahmen junge Erwachsene an einer Nacht mit totalem Schlafentzug und einer Nacht mit acht Stunden Schlafmöglichkeit teil. Am Morgen nach jeder Nacht wurde mit einem Eye-Tracker die Zeit gemessen, die die Teilnehmer mit der Fixierung von Bildern glücklicher, wütender, ängstlicher und neutraler Gesichter verbrachten. Außerdem bewerteten die Teilnehmer die Attraktivität, Vertrauenswürdigkeit und Gesundheit der Gesichter auf einer Millimeter-Analogskala.
Es zeigte sich, dass nach dem Schlafverlust die Teilnehmer mehr Mühe hatten, die Gesichter zu fixieren als nach dem Schlaf. Die Abnahme der Gesamtfixationsdauer reichte von 6,3 % bis 10,6 % nach dem Schlafverlust (P< 0,001). Entgegen der Hypothese trat die Verringerung der Gesamtfixationsdauer unabhängig von der dargestellten Emotion auf (P=0,235 für die Interaktion Schlaf*Emotion) und war auch für den oberen (P< 0,001), nicht aber für den unteren Teil der Gesichter vorhanden (mit Ausnahme des unteren Teils der wütenden Gesichter). Insgesamt wurden Gesichter nach Schlafverlust als weniger vertrauenswürdig (- 2,6 mm) und attraktiv (- 3,6 mm) bewertet (p< 0,05).
Wenn also nach akutem Schlafverlust weniger Zeit damit verbracht wird, Gesichter zu fixieren, kann dies mit verschiedenen Problemen für soziale Interaktionen einhergehen, etwa einer ungenauen und verzögerten Beurteilung des emotionalen Zustands anderer Menschen. Schlafmangel ist offenbar mit negativeren sozialen Eindrücken verknüpft ist, d. h., wer selber unausgeschlafen ist, der sieht seine Mitmenschen demnach in einem eher schlechteren Licht. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass Schlafmangel die Reaktion der Amygdala verändert. Darüber hinaus können negativere soziale Eindrücke von anderen auch zu sozialem Rückzug bei Menschen mit Schlafentzug führen, dass diese auch weniger motiviert sind, mit anderen zu interagieren.
Literatur
van Egmond, L.T., Meth, E.M.S., Bukhari, S., Engström, J., Ilemosoglou, M., Keller, J. A., Zhou, S., Schiöth, H.B. & Benedict, C. (2022). How Sleep-Deprived People See and Evalu,ate Others’ Faces: An Experimental Study. Nature and Science of Sleep, doi:10.2147/NSS.S360433
Nachricht ::: Stangls Bemerkungen ::: Stangls Notizen ::: Impressum
Datenschutzerklärung ::: © Werner Stangl :::