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Schlaffunktion verändert sich mit der Entwicklung

Man weiß seit langem, dass der Schlaf unterschiedliche Funktionen erfüllt, wobei Cao et al. (2020) nun einen neuen Ansatz entwickelt haben, um besser zu verstehen und vorherzusagen, wie sich der Schlaf während der Ontogenese und über die Phylogenese hinweg verändert. Für diese Studie haben sie Daten aus mehr als sechzig Schlafstudien mit Menschen und anderen Säugetieren analysiert. In diesem Ansatz versucht man quantitativ zwischen Schlaf, der zur neuronalen Reorganisation genutzt wird, und dem zur  Reparatur zu unterscheiden. Die Ergebnisse zeigen einen abrupten Übergang zwischen dem Alter von 2 und 3 Jahren beim Menschen, insbesondere zeigen die Ergebnisse, dass Unterschiede im Schlaf in der Phylogenie und während der späten Ontogenese (nach 2 oder 3 Jahren beim Menschen) in erster Linie darauf zurückzuführen sind, dass der Schlaf zur Reparatur oder Reinigung dient, während Veränderungen im Schlaf während der frühen Ontogenese (vor 2 oder 3 Jahren) in erster Linie die neuronale Reorganisation und das Lernen unterstützen. Auch zeigte sich, dass die neuroplastische Reorganisation hauptsächlich im REM-Schlaf, nicht aber in Non-REM-Phasen auftritt, was auf ein komplexes Wechselspiel zwischen entwicklungsbedingten und evolutionären Einschränkungen des Schlafs hindeutet. Vor dem Alter von etwa zweieinhalb Jahren wächst bekanntlich das Gehirn der Kinder sehr schnell, wobei die Zeit des REM-Schlafes das Gehirn in dieser Zeit vor allem nutzt, um Synapsen aufzubauen und zu stärken, also genau die Hirnstrukturen, die Neuronen miteinander verbinden und ihnen die Kommunikation untereinander ermöglichen. Im Schlaf wird dabei also die Infrastruktur des Gehirns aufgebaut, was auch bedeutet, dass man Babys man niemals wecken sollte. Nach rund zweieinhalb Jahren ändert sich dieser Hauptzweck des Schlafes plötzlich, denn statt das Gehirn aufzubauen, wird ab diesem Zeitpunkt vor allem für die Aufrechterhaltung und Reparatur des Gehirns gesorgt, was auch so für den Rest des Lebens so bleibt. Dieser Übergang von einer Funktion zur anderen korrespondiert mit Veränderungen in der Gehirnentwicklungen zu etwa derselben Zeit. Die Daten belegen übrigens auch bei anderen Arten einen dramatischen Rückgang des REM-Schlafs, wenn sie das Alter erreichten, das der menschlichen Entwicklungsstufe von zweieinhalb Jahren entspricht, sodass der Anteil des REM-Schlafes bei Kaninchen, Ratten, Schweinen und Menschen proportional ungefähr gleich ist. Auch hat die Größe des Gehirns offenbar einen gewissen Einfluss, denn mit zunehmender Größe nimmt der REM-Schlaf ab. Während Neugeborene etwa die Hälfte ihrer Schlafzeit im REM-Schlaf verbringen, sinkt diese Zeit bis zum Alter von zehn Jahren auf etwa ein Viertel der Schlafzeit und nimmt mit zunehmendem Alter weiter ab. Erwachsene, die älter als 50 Jahre sind, verbringen nur noch ungefähr 15 Prozent ihrer Schlafzeit im REM-Schlaf.

Literatur

Cao, Junyu, Herman, Alexander B., West, Geoffrey B., Poe, Gina, Savage, Van M. (2020). Unraveling why we sleep: Quantitative analysis reveals abrupt transition from neural reorganization to repair in early development. Science Advances, 6, doi:10.1126/sciadv.aba0398.


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