Das Erlernen von Grammatiken erfordert ein Gedächtnis für Abhängigkeiten zwischen nicht benachbarten Elementen in der Sprache. Das unmittelbare Erlernen von nicht benachbarten Abhängigkeiten wurde bei sehr jungen Säuglingen beobachtet, aber ihr Gedächtnis für solche Abhängigkeiten ist noch nicht erforscht. Friedrich et al. (2022) haben ereigniskorrelierte Potenziale verwendet, um zu untersuchen, ob sechs- bis achtmonatige Kinder nicht benachbarte Abhängigkeiten behalten und ob Schlaf nach dem Lernen dieses Gedächtnis beeinflusst.
Die Säuglinge hörten in einer Lernphase und einer späteren Testphase jeweils zehn Minuten lang kurze italienische Sätze, zunächst mit richtigen Verb-Endungen und später mit falschen Fügungen. In der Testphase präsentierte man den Babys teilweise auch Sätze mit neuen Verben, die richtige oder falsche Endungen hatten, sodass man anhand der Hirnreaktionen schlussfolgern konnte, dass selbst sehr kleine Kinder schon die grammatikalisch richtigen Verb-Endungen erwarten, auch wenn sie das neue Zeitwort noch gar nicht kannten.
Die Gehirnreaktionen zeigten, dass sich die Kinder an die nicht benachbarten Abhängigkeiten erinnern, unabhängig davon, ob sie ein Nickerchen machen oder wach blieben. Kinder, die zwischen Lern- und Testphase einen Mittagsschlaf einlegten, reagierten jedoch anders auf die neuen Sätze als die Wachgruppe, was nichts anderes bedeutet, als dass der neue Gedächtniseffekt auf einem im Schlaf neu gebildeten Gedächtnis beruht, d. h., dass sich das Gedächtnis im Schlaf weiterentwickelt und das kindliche Gehirn die regelhaften Beziehungen nach dem Schlafen in einer neuen Form speichert.
Säuglinge mit hoher Aktivität der linken Frontalspindel zeigen eine zusätzliche Gehirnreaktion, die auf die Erinnerung an einzelne Sprachphrasen hinweist. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bereits Säuglinge im Alter von sechs Monaten mit Gedächtnismechanismen ausgestattet sind, die für das Erlernen von Grammatik relevant sind. Sie deuten auch darauf hin, dass während des Schlafs die Konsolidierung hochspezifischer Informationen mit Veränderungen in der Art des generalisierten Gedächtnisses einhergehen kann.
Literatur
Friedrich, Manuela, Mölle, Matthias, Born, Jan & Friederici, Angela D. (2022). Memory for nonadjacent dependencies in the first year of life and its relation to sleep. Nature Communications, 13, doi: 10.1038/s41467-022-35558-x.
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