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Psychologische Phänomene bei der Geldanlage

    Im Rahmen der Veranlagung von Vermögen ist es von essentieller Bedeutung, das Finanzportfolio von den individuellen Emotionen zu separieren. Die emotionale Befindlichkeit des Menschen hat signifikanten Einfluss auf seine Anlageentscheidungen, wobei die Vermögensanlage keine Ausnahme bildet. Emotionen können dazu führen, dass Investmententscheidungen getroffen werden, die auf den ersten Blick rational erscheinen, langfristig jedoch suboptimal oder gar verlustreich sein können. In der Psychologie ist evident, dass kognitive Verzerrungen und emotionale Reaktionen eine zentrale Rolle in der finanziellen Entscheidungsfindung spielen. Die Verlustaversion (loss-aversion), ein Konzept, das von Kahneman und Tversky (1979) eingeführt wurde, beschreibt die Tendenz, dass Verluste subjektiv schwerer wiegen als gleich große Gewinne. Diese überproportionale Reaktion auf Verluste führt häufig dazu, dass Anleger in Phasen fallender Kurse panisch reagieren, obwohl die langfristige Performance ihrer Anlagen positiv sein könnte. Dies hat zur Folge, dass rationale Entscheidungen durch emotionale Impulse überlagert werden. Ein weiteres Phänomen, das eine gewisse Verbreitung aufweist, ist das sogenannte Herdenverhalten (herding). Dieses Phänomen beschreibt die Tendenz von Menschen, Entscheidungen in Übereinstimmung mit der Mehrheit zu treffen, auch wenn diese Mehrheitsmeinung nicht auf fundierten Analysen basiert. Dieses Verhalten lässt sich psychologisch durch die soziale Bewährtheit („social proof“) erklären, bei der Menschen in Situationen mit Unsicherheit Orientierung an anderen suchen. In Phasen der Börse, die durch Euphorie oder Angst geprägt sind, kommt es häufig zu Blasenbildungen oder massenhaften Verkäufen. Ein weiterer Mechanismus, der als Vertrautheits-Bias oder auch Familiarity Bias bezeichnet wird, ist dadurch gekennzeichnet, dass Anleger Unternehmen oder Märkte präferieren, mit denen sie sich subjektiv verbunden oder vertraut fühlen, unabhängig von deren tatsächlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Aus psychologischer Perspektive manifestiert sich diese als eine kognitive Abkürzung, auch als Heuristik bezeichnet (vgl. Tversky & Kahneman, 1974).

    Dies kann dazu führen, dass Portfolios nicht ausreichend diversifiziert sind und unnötige Klumpenrisiken entstehen. Ein verwandtes Konstrukt ist der Overconfidence Bias, also die Selbstüberschätzung. Eine signifikante Anzahl von Investoren neigt dazu, ihre Fähigkeit zur Prognose zukünftiger Marktentwicklungen sowie zur Analyse einzelner Wertpapiere als überdurchschnittlich zu betrachten. Diese Selbstüberschätzung kann zu einem übermäßigen Trading-Verhalten und einer unzureichenden Risikostreuung führen. Gemäß der Ergebnisse diverser Studien zeigen männliche Anleger eine tendenziell höhere Handelsaktivität, wobei dies jedoch nicht zwangsläufig zu einer höheren Performance führt. Die emotionale Komponente manifestiert sich in einem übersteigerten Kontrollgefühl, welches sich in der Überzeugung äußert, durch eigenes Können den Markt überlisten zu können, obwohl zahlreiche Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt einer Stochastik unterliegen. Ein weiterer psychologischer Mechanismus ist die sogenannte Attributionsverzerrung (Attribution Bias). Anleger attribuieren Erfolge häufig ihrer eigenen Kompetenz, während sie Misserfolge externen Umständen wie ungünstigem Timing oder unvorhersehbaren Ereignissen zuschreiben. Dieses Muster fungiert als Schutzschild für das Selbstwertgefühl, verhindert jedoch eine objektive Analyse des eigenen Verhaltens. Dies kann zu einer Beeinträchtigung der Lernprozesse und einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für wiederholte Fehlentscheidungen führen. Die Veranlagung von Vermögen erfordert demnach nicht nur wirtschaftliches und analytisches Denken, sondern auch ein hohes Maß an emotionaler Selbstdisziplin. Emotionen sind ein integraler Bestandteil des Entscheidungsverhaltens, jedoch kann ihre Wirkung auf finanzielle Entscheidungen durch Selbstreflexion, strukturierte Anlagestrategien und professionelle Begleitung signifikant reduziert werden. Es empfiehlt sich daher eine breite Streuung in verschiedene Regionen und Branchen, um Risiken zu begrenzen, und emotionale Impulse durch fundierte Entscheidungsprozesse zu ersetzen.

    Literatur

    Kahneman, D. & Tversky, A. (1979). Prospect theory: An analysis of decision under risk. Econometrica, 47, 263–291.
    Tversky, A. & Kahneman, D. (1974). Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases. Science, 185, 1124–1131.
    Stangl, W. (2015, 3. Mai). Die Psychologie der Geldanlage. Psychologie-News.
    https:// psychologie-news.stangl.eu/5772/die-psychologie-der-geldanlage.


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