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Psychologische Grundlagen des Aberglaubens

Aberglaube ist ein weit verbreitetes Phänomen, das in nahezu allen Kulturen und Gesellschaften der Welt anzutreffen ist. Er äußert sich in einer Vielzahl von Überzeugungen und Praktiken, die auf irrationalen oder nicht-wissenschaftlichen Annahmen beruhen. Obwohl Aberglaube oft als unlogisch oder gar lächerlich abgetan wird, wurzelt er tief in der menschlichen Psyche und erfüllt wichtige Funktionen. Um das Wesen des Aberglaubens vollständig zu erfassen, ist es notwendig, die verschiedenen Faktoren zu berücksichtigen, die zu seiner Entstehung und Aufrechterhaltung beitragen. Aberglaube wird von einer Vielzahl psychologischer Faktoren genährt. Diese irrationalen Überzeugungen, die oft auf Traditionen und kulturellen Narrativen basieren, beeinflussen unser Verhalten und unsere Denkweise auf subtile Weise.

Grundlage des Aberglaubens ist vermutlich die Tendenz, dass Menschen – wie übrigens alle anderen Primaten auch – nach stimmigen Mustern in ihrer Umwelt suchen. Allerdings können Menschen meist nicht unmittelbar unterscheiden, welche Muster wahr und welche falsch sind, doch haben sie die grundlegende Tendenz, zunächst einmal alle Muster als wahr anzusehen. Bei jenen Mustern, die man nicht richtig einordnen kann, versucht man, sich Gründe und Zusammenhänge zur Erklärung auszudenken, sodass an dieser Stelle Götter, Dämonen, Geister und Verschwörungstheorien ins Spiel kommen. Verschwörungstheorien dienen vorrangig dazu, Wissenslücken zu schließen, die bei Ereignissen, die für den unbeteiligten Einzelnen nicht überschau- und überprüfbar sind, zwangsläufig entstehen.

Hier sind weitere wichtige psychologischen Grundlagen, die den Aberglauben am Leben erhalten und verstärken:

Mustererkennung und Kausalität: Menschen haben ein angeborenes Bedürfnis, Muster in ihrer Umgebung zu erkennen und vermeintliche Zusammenhänge herzustellen. Dies ist ein evolutionär vorteilhafter Mechanismus, der uns hilft, die Welt um uns herum zu verstehen und vorherzusagen. Diese Tendenz kann jedoch auch dazu führen, dass wir fälschlicherweise Kausalitäten zwischen Ereignissen sehen, die in Wirklichkeit lediglich zufällig oder korreliert sind. Wir überinterpretieren Korrelationen als Ursache-Wirkungs-Beziehungen.

Beispiel: Ein Sportler trägt ein „Glückssocken“ und gewinnt ein Spiel. Er schließt daraus (oft unbewusst), dass die Socken ihm Glück gebracht haben, obwohl der Sieg wahrscheinlich auf einer Kombination von Faktoren wie Talent, Training, Teamarbeit und der Tagesform beruht. Die Socken sind lediglich ein unbeteiligter Begleiter des Erfolgs, der fälschlicherweise in den Status eines Glücksbringers erhoben wird. Diese „bestätigende“ Erfahrung festigt den Glauben an die Wirksamkeit der Socken.

Kontrollillusion: Aberglaube kann uns ein trügerisches Gefühl der Kontrolle in Situationen geben, die von Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit geprägt sind. In Momenten, in denen wir uns machtlos fühlen, können Rituale und abergläubische Handlungen uns das Gefühl vermitteln, dass wir das Schicksal beeinflussen oder zumindest die Wahrscheinlichkeit eines positiven Ausgangs erhöhen können. Dieses Gefühl der Kontrolle, auch wenn es illusorisch ist, kann Stress reduzieren und ein Gefühl der Sicherheit vermitteln.

Beispiel: Das Klopfen auf Holz, um Unglück abzuwenden, ist ein weit verbreiteter Aberglaube. Es gibt uns das Gefühl, dass wir aktiv etwas gegen potenzielle negative Ereignisse tun können, obwohl es keinen rationalen Beweis für seine Wirksamkeit gibt. Die Handlung selbst, das bewusste Klopfen, dient als eine Art Beschwichtigung und beruhigt uns. Ähnlich verhält es sich mit dem Vermeiden von Unglückszahlen oder dem Tragen von Amuletten.

Angst und Unsicherheit: Aberglaube kann als Bewältigungsmechanismus für Angst und Unsicherheit dienen, insbesondere in Situationen,

Die Suche nach Kontrolle und Vorhersagbarkeit: Ein grundlegender Aspekt des Aberglaubens ist das menschliche Bedürfnis nach Kontrolle und Vorhersagbarkeit. Wir streben danach, die Welt um uns herum zu verstehen und Ereignisse vorherzusehen, um uns sicherer und handlungsfähiger zu fühlen. In Situationen, in denen wir mit Unsicherheit oder Unvorhersehbarkeit konfrontiert sind, kann Aberglaube uns ein Gefühl der Kontrolle vermitteln, auch wenn diese Kontrolle nur illusorisch ist.

Kognitive Verzerrungen und Mustererkennung: Unser Gehirn ist darauf ausgelegt, Muster zu erkennen und Zusammenhänge herzustellen, selbst wenn diese nicht existieren. Diese Fähigkeit ist in vielen Situationen von Vorteil, kann aber auch zu Fehlinterpretationen und Aberglauben führen. Wir neigen dazu, zufällige Ereignisse miteinander zu verknüpfen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, die nicht gerechtfertigt sind.

Beispiel: Wenn eine Person unter einer Leiter hindurchgeht und kurz darauf ein Missgeschick erlebt, könnte sie daraus schließen, dass das Unterqueren der Leiter Unglück bringt, obwohl es sich um einen reinen Zufall handeln kann.

Bestätigungsfehler (Confirmation Bias): Der Bestätigungsfehler ist eine kognitive Verzerrung, die dazu führt, dass wir Informationen bevorzugt wahrnehmen, die unsere bestehenden Überzeugungen bestätigen, und Informationen ignorieren oder abwerten, die ihnen widersprechen.

Literatur

Stangl, W. (2011, 20. Februar). Aberglaube. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
https:// lexikon.stangl.eu/2382/aberglaube.


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