Forscher vermuten, dass der bloße Glaube an die Wirksamkeit eines Medikaments oft schon zu messbaren Verbesserungen des Gesundheitszustands führen kann. Dieser sogenannte „Placeboeffekt“ basiert auf komplexen neurophysiologischen Vorgängen im Körper, die noch nicht vollständig verstanden sind. Umso interessanter sind weitere Studien, die das Potenzial von Placebos in verschiedenen Anwendungsgebieten beleuchten. Wirken Placebos aber tatsächlich nur, wenn Patienten nichts von ihrer Anwendung wissen? Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass Placebos auch dann einen messbaren Effekt haben können, wenn Patienten bewusst darüber informiert sind, dass sie ein Scheinmedikament ohne Wirkstoff einnehmen. Diese sogenannten „Open-Label-Placebos“ wurden in verschiedenen medizinischen Bereichen untersucht – mit besonders vielversprechenden Ergebnissen bei der Behandlung von Schmerzen.
Eine Studie von Schaefer et al. aus dem Jahr 2024 konnte zeigen, dass übergewichtige Probanden, die bewusst Placebos einnahmen, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Placebo-Einnahme deutlich mehr Gewicht verloren. Der Mediziner Ted Kaptchuk von der Harvard Medical School gilt als Pionier auf diesem Forschungsgebiet. In mehreren Studien konnte er die Wirksamkeit von Open-Label-Placebos bei Reizdarmsyndrom und Wechseljahresbeschwerden belegen. Gerade bei chronischen Schmerzen sind die Effekte von Placebos besonders gut erforscht, wobei positive Erwartungshaltungen die Schmerzverarbeitung im Gehirn und Rückenmark beeinflussen und zur Freisetzung körpereigener Botenstoffe wie Endorphine und Dopamin führen können. Die genauen Mechanismen, die dazu führen, dass auch „offene“ Placebos eine Wirkung entfalten, sind allerdings noch nicht vollständig verstanden. Offenbar geht der Placeboeffekt in diesen Fällen über eine reine Erwartungshaltung hinaus.
Placebos scheinen vor allem in Bereichen zu helfen, die natürlichen Schwankungen unterliegen, wie etwa Schmerzen oder Depressionen. Sie können die Selbstheilungskräfte des Körpers unterstützen und positive Phasen verlängern, etwa wie bei einer Konditionierung, ähnlich dem berühmten Pawlowschen Hund-Experiment. Obwohl der genaue Wirkmechanismus noch nicht vollständig geklärt ist, eröffnen die Erkenntnisse zu Open-Label-Placebos vielversprechende neue Möglichkeiten in der Behandlung verschiedener Leiden.
Placebos können nicht nur bei der Behandlung von Müdigkeit, sondern auch bei der Reduzierung von Prüfungsangst äußerst hilfreich sein. Eine interessante Studie mit angehenden Fahrschülern hat dies eindrucksvoll belegt. Die Forscher fanden heraus, dass diejenigen Teilnehmer, die wissentlich ein Placebo einnahmen, deutlich weniger Angst vor ihrer bevorstehenden Fahrprüfung verspürten und letztendlich auch eine höhere Erfolgsquote aufwiesen.
Diese Ergebnisse zeigen, dass Placebos ein vielversprechendes Instrument in der Medizin darstellen können – und das, obwohl die Probanden über die Natur des verabreichten Mittels informiert waren. Im Gegensatz zu herkömmlichen Medikamenten bieten Placebos potenziell positive Wirkungen, ohne dabei mit Risiken oder Nebenwirkungen belastet zu sein.
Literatur
Stangl, W. (2024, 21. Oktober). Wirken Placebos nur bei Unkenntnis? was stangl bemerkt …
Nachricht ::: Stangls Bemerkungen ::: Stangls Notizen ::: Impressum
Datenschutzerklärung ::: © Werner Stangl :::