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Ohrwürmer und absolutes Gehör

Bisher ging man davon aus, dass nur etwa eine von 10.000 Personen über ein absolutes Gehör verfügt, also die Fähigkeit, Töne ohne Referenz exakt zu identifizieren oder zu reproduzieren, doch eine Studie von Evans et al. (2024) deutet jedoch darauf hin, dass viele Menschen über eine Art „verstecktes absolutes Gehör“ verfügen könnten. Entgegen bisheriger Annahmen zeigt die Studie, dass Menschen in der Lage sind, diese Melodien mit erstaunlicher Genauigkeit in der richtigen Tonhöhe wiederzugeben, selbst wenn sie kein bewusstes musikalisches Training haben.

In der Untersuchung wurden 30 Teilnehmer gebeten, über einen Zeitraum von zwei Wochen spontan ihre aktuellen Ohrwürmer aufzunehmen, wobei knapp 45 Prozent der Aufnahmen exakt mit der Tonart des Originals übereinstimmten, und fast 70 Prozent maximal einen Halbton vom Original abwichen. Interessanterweise zeigte die Studie auch, dass die tatsächliche Leistung der Teilnehmer oft besser war als ihre Selbsteinschätzung, denn viele Menschen mit einem sehr guten Tonhöhengedächtnis sind sich ihrer Fähigkeit nicht bewusst und unterschätzen ihre Genauigkeit beim Singen. Dies unterscheidet sie von Menschen mit klassischem absolutem Gehör, die sich ihrer Fähigkeiten in der Regel bewusst sind.

Entgegen der Annahme, dass das Langzeitgedächtnis nur Kerninformationen speichert und dabei Details wie die exakte Tonhöhe vernachlässigt, scheint es, dass musikalische Erinnerungen mit hoher Präzision abgebildet werden. Dies könnte bedeuten, dass unser Gehirn über spezielle Mechanismen für die Speicherung und den Abruf musikalischer Informationen verfügt.

Literatur

Evans, Matthew G., Gaeta, Pablo & Davidenko, Nicolas (2024). Absolute pitch in involuntary musical imagery. Attention, Perception, & Psychophysics, doi:10.3758/s13414-024-02936-0


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