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Neuromythen

Als Neuromythen bezeichnet man die vielen falschen Vorstellungen, die über das menschliche Gehirn kursieren, und die oft mit Empfehlungen verbunden sind , wie man richtig lernen sollte. Aktuell kommt das Interesse an den Neurowissenschaften hinzu, wobei bestehende Wissenslücken jedoch mit falschen Interpretationen gefüllt werden, was daran liegt, dass Menschen nach einfachen Antworten suchen, wenn die Fragen besonders komplex sind. Dadurch entstehen Neuromythen, die zwar amüsant sind, allerdings nicht als Grundlage für Entscheidungen benutzt werden sollten, etwa wie Unterricht gestaltet werden sollte oder wie man richtig lernt.

Grundsätzliches: Die beiden Hälften des menschlichen Gehirns unterscheiden sich sowohl in ihrer Anatomie als auch in ihren Aufgabenbereichen, doch bei vielen psychiatrischen Störungen scheint dieses Grundprinzip allerdings außer Kraft gesetzt oder zumindest eingeschränkt. Ob diese Veränderungen die Ursache für Erkrankungen wie Schizophrenie sind, ist unklar, denn möglicherweise beeinflussen dieselben Gene und Umweltfaktoren sowohl Hirnasymmetrien als auch psychische Krankheiten. So fand man, dass Psychosen und Epilepsie immer dann gemeinsam auftreten, wenn die Anfälle von der linken Hirnhälfte ausgehen, nicht jedoch bei einem Ursprung in der rechten Hemisphäre. Daher forscht man seit einiger Zeit daran, ob die zwei Hemisphären unterschiedliche Rollen bei der Entstehung psychiatrischer Erkrankungen spielen könnten, wobei vieles dafür spricht, denn man hat auch in Studien zur Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung bemerkt, dass Menschen mit Defekten auf der rechten Hirnseite deutlich häufiger Aufmerksamkeitsprobleme haben als jene, bei denen die linke Seite betroffen ist.

In der Die Presse vom 16. Jänner 2016 fasst Roland Grabner die wichtigsten zusammen, die auch in den Arbeitsblättern immer wieder thematisiert werden – hier die fünf beschriebenen Neuromythen, die durch Links zu der eigenen Darstellung vertieft werden können:

Die beiden Hirnhälften erklären Unterschiede bei Begabungen.

Dass das Gehirn aus zwei Hälften besteht, verlockt wohl zur Annahme, dass diese Trennung beim Lernen zu berücksichtigen ist. Schließlich sitzt ja in der linken Gehirnhälfte das analytische Denken und in der rechten die Fähigkeit zu kreativen Leistungen. Tatsächlich sind die beiden Gehirnhälften über mehr als 250 Millionen Nervenfasern miteinander verbunden und tauschen permanent Informationen aus. Wir lernen also immer mit beiden Seiten. Und selbst wenn wir nichts tun, sind beide Gehirnhälften im Austausch.

Diese schon längst widerlegte Annahme, dass sich unser Gehirn in eine rechte und eine linke Gehirnhälfte aufteilen lässt, wobei beide Seiten ihre eigenen Aufgaben haben und jeder Mensch diese unterschiedlich stark nutzt, erfährt nun insofern eine Ergänzung, dass man zwar nicht von einer dominanten rechten oder linken Gehirnhälfte sprechen kann, sondern dass man das Gehirn eher in einen oberen und unteren Bereich aufteilen kann. Der obere Bereich entwickelt und überarbeitet nicht funktionierende Pläne, während der untere Bereich die Wahrnehmungen interpretiert und ordnet. Diese Einteilung in oben und unten erklärt besser, warum Menschen unterschiedlich denken und  handeln. Jeder Mensch benutzt demnach beide Hälften des Gehirns, wobei entscheidend ist, wie intensiv und gut diese zusammenarbeiten. Aus dem Grad der Intensität und Zusammenarbeit bilden sich dabei vier unterschiedliche kognitive Modi, die zeigen wie sehr Personen komplexe Dinge planen und wie stark sie dabei in die Tiefe gehen.

Dennoch kann kann man immer wieder lesen: „Der Elternbeirat der Grundschule *** begrüßte am 6. April 2016 viele interessierte Eltern zum Vortrag »Das Lernen lernen« in der Mensa der Schule. In einem kurzweiligen und spannenden Vortrag informierte Frau *** vom gemeinnützigen Verein *** die Besucher zunächst über die anatomischen Voraussetzungen (Aufgaben der beiden Gehirnhälften) und stellte anschließend auf unterhaltsame Weise die verschiedenen Lerntypen vor. Außerdem demonstrierte sie unter Beteiligung der Eltern auch Lernexperimente und gab weitreichende Tipps, damit das spezielle Lernen für jeden Lerntyp erfolgreich umgesetzt werden kann. Für ihren lehrreichen und zugleich unterhaltsamen Vortrag erntete sie viel Applaus.“


Sie hatte einmal gehört, dass der Mensch vermutlich nur etwa ein Zehntel seines Gehirns benutze und dass niemand ganz genau wisse, wozu die anderen neun Zehntel da seien, aber sie hatte natürlich nie eine Andeutung darüber gehört, dass sie zur Aufbewahrung von Pinguinen benutzt würden.

Douglas Adams: Der Elektrische Mönch

Wir nutzen meist nur zehn Prozent unseres Gehirns.

Weit gefehlt, denn das gesamte Gehirn ist aktiv, wenn wir denken. Bildgebende Verfahren lassen Mediziner und Psychologen heute ins Gehirn „hineinschauen“. Der Magnetresonanztomograf zeigt, welche Areale durchblutet sind, also arbeiten. „Die Frage ist eher, wie effizient wir das Gehirn nutzen“, so Grabner. Dass sie ihr Gehirn nicht mehr, sondern besser nutzen, zeichnet nämlich intelligente Menschen aus. Bei ihnen zeigt sich sogar weniger Aktivität. Die gute Nachricht: Das lässt sich trainieren. Wer etwa Wissen erwirbt, fordert sich selbst. Das Gehirn stellt so mehr und bessere Netzwerke her.

Lerntypen sind wichtig, um sich neues Wissen anzueignen.

Sind Sie eher der visuelle oder der auditive Typ? Egal, denn für das Lernen macht das – wissenschaftlich – keinen Unterschied. „Die Milliarden Menschen um den Globus sind weit unterschiedlicher als Lerntypen abbilden können. Sie lassen sich nicht in ein paar Schubladen einordnen“, sagt Grabner. Daher mache es auch keinen Sinn, Lehrpläne in Schulen danach auszurichten. Dieser Mythos scheint allerdings genau dort besonders verbreitet zu sein. Insgesamt 90 Prozent der Lehrer in verschiedenen europäischen Ländern glauben, dass Menschen besser lernen, wenn sie Informationen ihrem Lerntyp entsprechend aufbereitet bekommen.

Gehirnjogging macht uns intelligenter.

Gehirnjogging bringt zwar bessere Leistungen, aber nur in den trainierten Aufgaben. Das zeigte sich in Großbritannien in einer Studie, bei der 11.000 Menschen schlussfolgerndes Denken trainierten oder Gedächtnisübungen machten. „Wer mit der Hantel den linken Bizeps trainiert, wird nicht am ganzen Körper fitter“, veranschaulicht Grabner. Allerdings: Je älter jemand ist, desto sinnvoller ist das tägliche Sudoku oder die Gedächtnis-App, um geistig fit zu bleiben. Grabner rät, sich jedenfalls Tätigkeiten zu suchen, die Spaß machen: „Das kann auch eine Sprache oder ein Musikinstrument sein.“ Übrigens: Echtes Fitnesstraining ist genauso wichtig für das Gehirn wie Denksport. Es regt die Durchblutung und damit den Sauerstofftransport ins Gehirn an.

Buben sind von vornherein besser in Mathematik als Mädchen.

Die Ergebnisse der Pisa-Tests nähren die Vermutung, dass Mädchen schwächer in mathematischen Fähigkeiten sind. „In asiatischen oder skandinavischen Ländern sind die Ergebnisse aber genau umgekehrt“, sagt Grabner. Vielmehr hat sich die Hypothese mehrfach bestätigt, dass sich Frauen durch die Angst vor dem eigenen Versagen stärker unter Druck setzen lassen. Und die ist kulturell geprägt. Biologisch ist die Chancengleichheit also jedenfalls gegeben.

Ein Blick ins Kinderzimmer

kann angeblich schnell verraten, welche Gehirnhälfte das eigene Kind mehr benutzt: Herrscht Ordnung, dominiert die linke Gehirnhälfte. Das Motto „Das Genie überblickt das Chaos“ spricht für eine Dominanz der rechten Gehirnhälfte.

Siehe dazu generell auch

Literatur

http://at.galileo.tv/menschen/die-einteilung-in-rechte-und-linke-gehirnhaelfte-ist-ueberholt/ (16-08-06)
https://www.spektrum.de/magazin/die-asymmetrie-des-gehirns-ist-bei-psychischen-erkankungen-vermindert/2015671 (22-05-31)

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