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Neuromarketing, Neuromerchandising, Neuropricing

Alle Entscheidungen sind letztlich Gefühlsentscheidungen und Entscheidungen ohne Gefühl gibt es gar nicht.  Der Homo oeconomicus, der rein rational die Alternativen abwägt, erweist sich als Fiktion. Als Grundlage neurobiologischer Erkenntnisse gilt, dass Gefühl und Verstand nicht unabhängig voneinander funktionieren können. Man darf das Thema Neuromarketing oder Neuromerchandising allerdings nicht monokausal betrachten, denn einen ,,Kaufknopf“ im Kopf gibt es nicht. Die Wahrnehmung des Menschen ist sehr individuell und wird von verschiedenen Faktoren geprägt: Erziehung, Familie, Erwartungen und Kontext. ,Wichtig ist ein integrierter Ansatz, der alle Wahrnehmungsmöglichkeiten des Konsumenten berücksichtigt. Unternehmen setzen große Hoffnungen in die neuesten Forschungsergebnisse des Neuromarketing. Der in Australien lebende Markenexperte Martin Lindstrom hat die bisher umfangreichste Neuromarketing-Studie mit über 2000 Teilnehmern in fünf Ländern abgeschlossen und landete mit seinem Buch ,,Buyology – Warum wir kaufen, was wir kaufen“ innerhalb weniger Wochen auf den Bestsellerlisten. Das ,,Time“-Magazin wählte Lindstrom zu den 100 einflussreichsten Personen des Jahres 2009.

Neuromarketing ist eine Verbindung von Marketing und Wissenschaft, stellt das ,Fenster‘ zum menschlichen Gehirn da und ist der Schlüssel zu dem, was den Kaufauslöser in unserem Hirn bewirkt: die unbewussten Gedanken, Gefühle und Wünsche, die alle Kaufentscheidungen bestimmen, die wir treffen“. Hat ein Kunde beim Einkaufen die Qual der Wahl, so zählen neben logischen vor allem emotionale Argumente. In Zeiten übersättigter Märkte müssen Produkte und Dienstleistungen nicht nur günstig und qualitativ hochwertig sein, sondern auch starke emotionale Assoziationen beim Kunden auslösen. Sie sind sonst für das Gehirn wertlos“. Nachdem Menschen nahezu 80 Prozent ihrer Entscheidungen unbewusst treffen, wird es im Handel immer wichtiger, sich mit der Gefühlswelt des Verbrauchers auseinander zu setzen. Limbisches System, Thalamus und Hypothalamus als Teile des Gehirns werden deshalb zum Mekka der Marketingstrategen, denn es wurde festgestellt, dass sich der Verstand geradezu ausschaltet, wenn man mit seinem Lieblingskaffee konfrontiert wird. Die Entscheidung wird von den Gefühlsregionen im Gehirn übernommen.

Zwei Langzitate aus dem Buch, in denen der Autor seine Motivation schildert:
„Aber ich halte Neuromarketing nicht für das heimtückische Instrument korrupter Regierungen und verlogener Werbetreibender. Ich betrachte es als einfaches Werkzeug – wie einen Hammer. Ja, in den falschen Händen kann ein Hammer dazu benutzt werden, einem anderen den Schädel einzuschlagen, doch weder ist dies der eigentliche Zweck eines Hammers noch bedeutet es, dass Hammer verboten oder konfisziert werden sollten. Das Gleiche gilt auch für Neuromarketing. Es ist ein einfaches Instrument, das zu ergründen hilft, was Verbraucher denken, wenn sie einem Produkt oder einer Marke begegnen, und das uns mitunter auch hilft, die hinterhältigen Methoden zu erkennen, die Marketingleute zu unserer Verführung benutzen, ohne dass wir es merken. Ich habe durchaus nicht die Absicht, Unternehmen zu helfen, Gehirnscans einzusetzen, um Sinne und Verstand der Verbraucher zu steuern oder uns in Roboter zu verwandeln. Ja, irgendwann in der Zukunft mag es dazu kommen, dass Menschen dieses Instrument auf unethische Weise einsetzen. Aber ich hoffe, dass die überwältigende Mehrheit das Instrument für etwas Nützliches verwenden wird, sodass wir uns alle selbst besser verstehen können – unsere Bedürfnisse, unsere Triebkräfte, unsere Motivation – und dieses Wissen für harmlose praktische Zwecke nutzen. (Wenn Sie mich fragen: Wir wären dumm, wenn wir das nicht täten.)
Meine Überzeugung? Dass wir durch ein besseres Verständnis unseres eigenen, scheinbar irrationalen Verhaltens – sei es der Grund für den Kauf eines Designerhemdes oder die Beurteilung einer Person im Vorstellungsgespräch – ein höheres Maß an Kontrolle erlangen, nicht weniger. Je besser wir verstehen, warum wir auf die Tricks und Taktiken der Werbenden hereinfallen, desto besser können wir uns gegen sie verteidigen. Je mehr Unternehmen über unsere unbewussten Bedürfnisse und Wünsche wissen, umso nützlichere, sinnvollere Produkte werden sie auf den Markt bringen. Wollen nicht alle Marketingexperten Produkte einführen, in die wir uns verlieben? Dinge, die uns emotional involvieren und unser Leben verbessern? Aus diesem Blickwinkel betrachtet, können Gehirnscans bei ethischer Verwendung für uns alle nützlich sein. Denken Sie an mehr Produkte, die mehr Geld einbringen und gleichzeitig die Verbraucherbedürfnisse befriedigen. Das ist eine gute Kombination.“

In vielen Kaufhäusern wird Hintergrundmusik eingesetzt, da sich die Betreiber davon einen größeren Umsatz versprechen, doch Untersuchungen zu diesem Thema zeigen eher widersprüchliche Ergebnisse. Einerseits fand man, dass sich durch Musik das Auswahlverhalten gegenüber Produkten beeinflussen lässt, dass Menschen bei lauter Musik eine kürzere Verweildauer haben als bei leiser, wobei sich auch eine Abhängigkeit der Schrittgeschwindigkeit der KäuferInnen vom Tempo der Musik zeigte, denn bei schneller Musik erhöht sich das Schritttempo, was zu niedrigeren Umsätzen füh­ren kann. Vermutlich gibt es aber wesentlich komplexere Wir­kungszusammenhänge zwischen den verschiedenen Faktoren der Musik und der KundInnen. Unterschwellige Botschaften durch Musik: Geschäfte benutzen bestimmte Musik, z. B. Jazz- oder Latin-Musik, die Botschaften an das Unterbewusstsein sendet und die Kunden zu mehr Käufen animiert. Manche Lieder enthalten Textzeilen, die wir unbewusst wahrnehmen: „Machen Sie sich keine Sorgen ums Geld“; „Diebstahl zwecklos, Sie werden gefasst“.


Übrigens verzichten in Deutschland Lidl und Aldi bewusst auf psychologischen Trick in Filialen. Das allerdings nicht allein aus Interesse am Kunden, denn es gehört zum Konzept der Discounter und es spart Geld, denn immer, wenn Musik an einem öffentlichen Raum gespielt wird, müssen die Betreiber Abgaben an die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) zahlen. Discounter haben es sich aber zur Aufgabe gemacht, an allen Ecken und Enden zu sparen, sodass es keine aufwändige Warenpräsentation gibt, sondern Produkte werden samt Karton ins Regal gestellt und es läuft eben keine Musik. Übrigens kommt es im Gegensatz zu Supermärkten hier ohnehin nicht auf eine Flanierstimmung an, denn Discounter-Kunden wollen vor allem rational einkaufen gehen und sich nicht von Aufmachung und Musik durch die Gänge treiben lassen. Sie wollen einfach die benötigten Produkte kaufen und gegebenenfalls noch ein paar Schnäppchen machen. Für Discounter ist es außerdem wichtig, täglich möglichst viele Kunden zu bedienen, d. h., es ist für Aldi und Lidl lukrativer, wenn möglichst viele Kunden am Tag zugreifen und zur Kasse gehen, als wenn weniger Kunden längere Zeit durch die Gänge flanieren.


Unterschwellige Botschaften durch Düfte: Fast überall werden wir mit verführerischen Düften umworben: Im Hotelzimmer, im Spielcasino, im Flugzeug oder im Auto. Der Ledergeruch in Neuwagen im Laden stammt bisweilen aus der Sprühdose! Oder: Eine kalifornische Laden-Kette verbreitete Kaffeeduft auf den Parkplätzen in der Nähe der Läden, um Kunden anzulocken.
Angst kann verkaufsfördernd sein! Die Werbung für fast alle Produkte spielt direkt oder indirekt mit der Angst. In einem Werbespot für eine Zahncreme wurde behauptet, das neue wissenschaftliche Forschungen eine Verbindung zwischen schweren Zahnfleischerkrankungen und anderen Erkrankungen, wie Diabetes und Schlaganfällen festgestellt haben. Botschaft: Entweder Sie putzen Ihre Zähne mit der Zahncreme, oder Sie sterben.
Gesungene Werbesprüche sind Verkaufsgaranten! Nichts prägt sich besser ein als ein gesungener Werbespruch, egal wie doof oder nervtötend er ist. Wer kennt sie nicht: „Nicht ist unmöglich – Toyota“ oder „Wie, wo, was weiß OBI“
Farben erzeugen emotionale Bindung! Rosa steht beispielsweise für alles Luxuriöse, Weibliche und Sinnliche. Daher wird der Farbton gern bei Nachtwäsche, Unterwäsche, Parfüm, Seife und Tabletten benutzt.
Sex verkauft nicht immer! Je lasziver und provokanter Werbekampagnen sind, desto weniger verkaufen sie. Grund: Die Werbebotschaft geht hinter zu viel Sex verloren. Aber: Wenn dagegen ein bekanntes Model wie Heidi Klum – die sexy und sympathisch ist – ein Produkt anpreist, werden unsere so genannten Spiegelneuronen angesprochen. Frau stellt sich dann vor, die von Klum getragene Wäsche sehe an ihr selbst genauso gut aus.
Der Herkunftsort verkauft! Ein Luxus-Produkt verkauft sich viel besser, wenn der Herstellungsort glamourös klingt, wie Paris, New York oder London. Weniger ansprechend klingt dagegen Castrop-Rauxel.
Lächeln verkauft! Lächelnde Gesichter können uns unbewusst dazu verführen, mehr zu kaufen. Läden, die ihre Mitarbeiter zum Lächeln auffordern, verkaufen besser. Klar – wer will sich schon von einem unfreundlichen Verkäufer beraten lassen?
Einrichtung verkauft Zigaretten! Nachdem Tabakwerbung im Fernsehen, Zeitschriften, etc. verboten ist, versuchen die Konzerne, andere Nischen zu finden. Philip Morris bietet etwa Bar-Betreibern finanzielle Anreize an, wenn sie bestimmte Farben für ihre Einrichtung verwenden. Insbesondere für Möbel, Aschenbecher und Fliesen, deren Form Teilen des Marlboro-Logos nachempfunden ist. Der Markenname oder das Logo sind aber nie direkt zu sehen.
Rituale helfen, eine emotionale Bindung zu einem Produkt herzustellen. Corona-Bier vervielfachte seinen Umsatz dadurch, dass es immer mit einem Scheibchen Limone im Flaschenhals serviert wird. Dieses Ritual entstand in einer Bar in der 80er-Jahren. Ein Barkeeper wettete mit einem Freund, dass er die Gäste dazu bringen könnte, es ihm nachzumachen und eine Limonenspalte in den Hals einer Corona-Bierflasche zu stecken. Er gewann. Seitdem wird dieses Ritual mit Corona verbunden.
Aberglaube stärkt die Markenbindung! In Japan werden dem Schoko-Riegel „KitKat“ glückbringende Eigenschaften zugeschrieben. Als er in Ostasien auf den Markt kam, bemerkten die Einheimischen, dass „KitKat“ so ähnlich wie „Kitto-Katsu“ klingt, das „Haben Sie garantiert Erfolg“ bedeutet. Durch eine blaue Verpackung – die den Himmel symbolisiert – wird die positive Wirkung noch unterstützt. Der Riegel behauptet sich seit Jahren sehr erfolgreich auf dem heiß umkämpften Schokomarkt in Japan.
Parallelen zur Religion sollen Kunden binden! Das Unbekannte, Geheimnisvolle, Mächtige sind Charakteristika jeder Religion. Auch Marken geben sich gern geheimnisvoll. Coca Cola gibt z. B. die Rezeptur für sein Kultgetränk nicht preis und sagt das auch oft. Das Rezept wird in einem Banksafe in Atlanta aufbewahrt. Produkte, die religiösen Konzepten ähneln, sind erfolgreicher.

Neuro-Pricing

Übrigens gibt es bereits auch Forschungen zum Neuro-Pricing, einem neuartigen Verfahren, das auf EEG-Hirnscandaten und Reaktionszeitmessungen beruht, um sich jenem Preis anzunähern, den das menschliche Gehirn potentieller Kunden als fair beurteilt. Ein vielleicht sogar niedrigerer, aber als fair empfundener Preis kann über höhere Absatzmengen durchaus zu mehr Gewinn führen, denn angeblich geht es im Prinzip um ganz einfache Spielregeln, die es einzuhalten gilt. So können falsch gesetzte Preisvorstellungen (Preisanker) beim KäuferInnen fatale Folgen bei der Vermarktung von Produkten haben. Bekanntlich schmeckt ja auch teurer Wein besser als billiger, auch wenn der Wein der Gleiche ist und nur der Preis geändert wird.

Quelle: http://www.bild.de/BILD/ratgeber/geld-karriere/2009/08/22/
buy-ology-zum-kaufen-verfuehrt/psychologie-konsum-martin-lindstrom.html (09-08-22)


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