Es gibt ein grundlegendes menschliches Bedürfnis nach Sinn, wobei dieses Bedürfnis im Alltag der Menschen eine bedeutende Rolle spielt. Oftmals spürt man dieses Bedürfnis, wenn man sich über Regeln ärgert, deren Sinn wir nicht versteht, wenn man in schmerzhaften Situationen nach einem tieferen Zweck sucht oder wenn die Motivation fehlt, Dinge zu lernen, deren Nutzen man nicht erkennen kann. Der Wunsch nach Sinn erstreckt sich auf alle Bereiche des Lebens, auch auf die Existenz selbst. Psychologische Studien haben gezeigt, dass das Empfinden von Sinn durch verschiedene Faktoren verstärkt werden kann. Ein wichtiger Aspekt ist das Gefühl, gebraucht zu werden und anderen zu helfen. Außerdem spielt Spiritualität eine Rolle, ebenso wie Transzendenz, die das Sinnempfinden weiter stärkt. Zudem hat sich gezeigt, dass ein starkes Sinngefühl positive Auswirkungen auf die Gesundheit und die Lebensspanne hat.
Eine Studie untersuchte, ob das Erzählen von Geschichten mit dem Empfinden von Sinn in Zusammenhang steht. Die Studie umfasste drei Experimente mit insgesamt rund 600 Teilnehmern. Ziel der Studie war es, zu überprüfen, ob Menschen, die gut Geschichten erzählen können, auch ein stärkeres Sinnempfinden haben. Dabei wurde auch untersucht, wie bereit die Teilnehmer sind, übergeordnete Ziele zu verfolgen, die über kurzfristige Motive hinausgehen – etwa das Gemeinwohl im Blick zu haben statt nur eigene Interessen zu verfolgen.
Die Studien zeigten, dass Menschen, die gut Geschichten erzählen können, tendenziell ein stärkeres Gefühl für den Sinn ihres Lebens haben. Diese Ergebnisse legen nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen der Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, und dem Empfinden von Sinn gibt. Die Forscher konnten jedoch nicht eindeutig klären, ob das Erzählen von Geschichten den Sinn verstärkt oder ob es sich vielmehr so verhält, dass Menschen mit einem starken Sinnempfinden besser darin sind, Geschichten zu erzählen. Eine solche Korrelation ist zwar keine Erklärung im wissenschaftlichen Sinn, aber sie ist dennoch nachvollziehbar. Sowohl das Erzählen von Geschichten als auch das Erkennen von Sinn erfordern Vorstellungskraft, Kreativität und die Fähigkeit, Ereignisse miteinander zu verbinden, Informationen zu verarbeiten und eine stimmige Erzählung zu kreieren.
Wenn man zum Beispiel eine schmerzhafte Erfahrung hat und versucht, etwas Positives darin zu finden, gestaltet man diese Erfahrung zu einer eigenen Geschichte, einem Narrativ, das man selbst bestimmt. Ähnlich verfährt man, wenn man seine gesamte Existenz als eine zusammenhängende Erzählung betrachtet und ihr einen Sinn zuschreibt. Die Fähigkeit, das eigene Leben als Geschichte zu begreifen, kann Menschen dabei helfen, einen tieferen Sinn darin zu erkennen.
Obwohl das Erzählen von Geschichten sicherlich nicht der einzige Faktor für ein erfülltes Leben ist, wird aufgrund diese Forschungen deutlich, dass es vermutlich nicht schädlich wäre, diese Fähigkeit weiter zu üben. Man sollte daher Kommunikation nicht nur als Mittel zum Austausch von Informationen oder Argumenten betrachten, sondern auch als eine Möglichkeit, das eigene Leben und die eigenen Erfahrungen auf eine tiefere, bedeutungsvollere Weise zu reflektieren und zu teilen. Das Erzählen von Geschichten könnte also helfen, mehr Sinn im Leben zu finden und die psychische Gesundheit zu stärken.
Literatur
Boreham, I. D., & Schutte, N. S. (2023). The relationship between purpose in life and depression and anxiety: A meta-analysis. Journal of Clinical Psychology, 79(12), 2736–2767
Schaefer, S. M., Morozink Boylan, J., van Reekum, C. M., Lapate, R. C., Norris, C. J., Ryff, C. D. & Davidson, R. J. (2013). Purpose in life predicts better emotional recovery from negative stimuli. PloS one, 8, doi:10.1371/journal.pone.0080329
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