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Merkmale abhängigen Verhaltens

Nicht jeder Abhängige muss alle Symptome zeigen. Die Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung ist oft Ergebnis eines langen Prozesses, der in vielen kleinen Schritten ablaufen kann. Verhalten, Erleben, Lebensgewohnheiten und Persönlichkeit verändern sich – oft unbemerkt – und passen sich langsam der Sucht an. Die schrittweise Veränderung erschwert es sowohl den Betroffenen als auch den Angehörigen, diesen Prozess wahrzunehmen. Der Abhängige nimmt gezielt Einfluss auf sein seelisches Erleben. Er tut dies aber nicht durch adäquates und realitätsgerechtes Handeln (vom Standpunkt der Gesellschaft, aber oft auch des Abhängigen selbst betrachtet), sondern durch den Vollzug der von der Abhängigkeit gesteuerten Handlung. Daraus resultiert ein kurzfristiges Befriedigungserleben.

Freiheitsverlust
Freiheitsverlust und Freiheitsverzicht, vom naiven Freiheitsbegriff ausgehend, können weitere Merkmale und Entwicklungen der Abhängigkeitserkrankung sein. Der Verlust an Freiheit beginnt zunächst als ein Verlust der Freiheit des Willens und des Denkens. Ist die Durchführung der süchtigen Handlung durch materielle, geistige oder andere Umstände unmöglich gemacht, wird das Denken des Süchtigen eingeengt auf die Befriedigung der Abhängigkeit.

Suchtdruck
Für viele Abhängige muss die Befriedigung der Abhängigkeit (Suchtdruck, englisch: Craving) möglichst sofort erfolgen. Vergangenheit und Zukunft verlieren häufig ihren bedeutungsgebenden Einfluss auf die Gegenwart. Zukunftsplanung reduziert sich oft zunehmend auf die Organisation der Abhängigkeit. Die Lebenseinstellung des Süchtigen wird in vielen Fällen in übermächtiger Weise augenblickszentriert. Eine unangemessene Dominanz der Gegenwart ist daher ein weiteres Wesensmerkmal süchtigen Verhaltens.

Leugnung der Abhängigkeit
Zur Abhängigkeitserkrankung gehört häufig das Leugnen der Krankheit vor sich selbst und anderen. Es werden manchmal simple („ich trinke/rauche aus purem Genuss“), oft auch skurrile bis absurde Ausre- den („Mein Arzt hat mir mehrere Liter Bier am Tag verordnet, für die Nieren“) benutzt, um das eigene, durch die Abhängigkeit dominierte Verhalten zu rechtfertigen. Dazu gehört oft auch ein Relativieren und Herunterspielen der konsumierten Menge und der Konsumhäufigkeit. Auch das Gegenteil von Leugnung kann der Fall sein, einige Abhängige sind der Umwelt gegenüber wehleidig und bemitleiden sich selbst, weil sie sich als arme Opfer ihrer Abhängigkeitserkrankung sehen.

Kontrollverlust
Abhängige verlieren die Kontrolle über ihr Verhalten, das kann zum völlig maßlosen Verhalten führen, so dass bis zum Umfallen getrunken wird. Der eigene Kontrollverlust ist für Abhängige meist beschämend, da sie scheinbar nicht (mehr) im Besitz ihrer vollen geistigen Kräfte sind, so dass es zu massiven Verleugnungen und Vertuschungen vor sich selbst und der Umwelt kommt (z. B. jedes Bier sofort bezahlen, da- mit man nicht wirklich weiß, wie viel man getrunken hat). Deshalb wird Kritik von außen als unangenehm wahrgenommen. Dies alles führt meistens zur gesellschaftlichen Isolation oder in entsprechende gesellschaftliche Randgruppen. Sind entsprechend feste Strukturen im Leben vorhanden wie eine Arbeit, so kann es vorkommen, dass Abhängige jahrelang nicht auffallen oder ein Doppelleben führen. Versucht werden Reduktion oder Verzicht auf die Suchtmittel zu bestimmten Begebenheiten, um Kontrolle über das von der Abhängigkeit gesteuerte Verhalten zu erlangen und nach außen als gesund zu erscheinen.

Co-Abhängigkeit
Oft wird das von der Abhängigkeit gesteuerte Verhalten von Freunden oder Familienangehörigen unter- stützt, die dem Abhängigen viele Aufgaben abnehmen und nach außen Probleme leugnen, nahestehende Verwandte und Freunde verfallen in co-abhängige Verhaltensweisen und tragen so dazu bei, dass das Le- ben des Abhängigen nach außen lange Zeit „normal“ funktionieren kann. Als Co-Abhängigkeit gilt auch, wenn man Verantwortung für das Verhalten des Süchtigen übernimmt, sein Verhalten rechtfertigt und sich seine/ihre Abhängigkeit nicht eingesteht. Co-Abhängige Verhaltensweisen können auch bei professionellen Helfern wie z. B. Sozialarbeitern auftreten.

Verlagerung von Abhängigkeit
Auch ein „Funktionieren in der Gesellschaft“ kann Teil des Leugnungsprozesses sein, so dass mit Disziplin, oft unter extremen Kraftanstrengungen, der Konsum eingeschränkt wird bzw. das von der Abhängigkeit gesteuerte Verhalten den Erfordernissen des Alltags zeitweise angepasst werden kann. Süchte können mit anderen kombiniert werden oder der Betroffene wechselt von einer Sucht zur anderen, eine sogenannte Abhängigkeitsverlagerung findet statt.. Gesellschaftlich anerkannte Arbeit kann in Form von Arbeitssucht (Workaholic) als Deckmantel dienen, um einen „Kick“ zu bekommen, während in der Freizeit ein anderer Suchtmechanismus gelebt wird.

Literatur
Smoliner, Hans (o.J.). Einführung in die Krisenberatung  und Krisenbegleitung Teil II. Lebenskrise – Adoleszenz. Unterlagen für Akademielehrgang  für SchülerberaterInnen an Allgemein bildende Höhere Schulen.


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