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Menschliche Sprache

Mittlerweile ist es gelungen, die Neuronennetzwerke, die die menschliche Sprachfähigkeit ermöglichen, zu einem großen Teil zu verorten und abzubilden, etwa das Broca-Areal, das vor allem für die Syntax-Verarbeitung verantwortlich ist, und das Wernicke-Areal, das für die Entschlüsselung von Semantik bedeutsam ist. Syntax bezeichnet dabei die Reihenfolge von Zeichen und Mustern, wofür es notwendig ist, Strukturen in Sätzen oder Wörtern zu erkennen.  Bei der Semantik hingegen geht es um Bedeutung, die das Syntax-Gerüst mit Gerüchen, Farben, Emotionen oder Assoziationen bereichert. Doch die Lokalisierung dieser Netzwerke erklärt jedoch nur unzureichend die komplexe Verarbeitung von Sprache, die verschiedene Elemente wie Grammatik (Syntax), Bedeutung (Semantik) oder auch Aussprache (Phonetik) miteinander verknüpft. Dafür muss man man nicht nur die Organisationsstrukturen innerhalb der Schaltkreise entschlüsseln, sondern auch deren zeitliche Organisation innerhalb des gesamten Netzwerkes. Die systematische Analyse der gesamten Verarbeitung von Sprache ist dabei äußerst schwierig, denn die unterschiedlichen Spracherkennungsfunktionen im Gehirn lassen sich nicht so einfach trennen. Zum einen ergeben etwa die Verschachtelungen von Syntax und Semantik äußerst komplexe Verarbeitungsmuster, sodass eine Aufschlüsselung mit den gängigen Verfahren der Gehirnforschung bisher nicht möglich war, und zum anderen besitzt insbesondere die semantische Verarbeitung von Sprache eine Eigenschaft, die sich systematischen Untersuchungsmethoden weitgehend entzieht, denn die Bedeutung einzelner Wörter wird von jedem Menschen in einem individuellen Kontext erlernt, sodass ein und dasselbe Wort für jeden Menschen mit ganz unterschiedlichen Assoziationen verknüpft ist. Das hat zur Folge, dass ein und dasselbe Wort bei verschiedenen Menschen ganz unterschiedliche Aktivierungsmuster im Gehirn hervorruft, die einander meist so unähnlich sind, dass sich daraus keine validen, zu verallgemeinernden Ergebnisse ableiten lassen. Die Abbildung einzelner Neuronen oder kleine Neuronengruppen und deren Arbeitsweise ist mit heutigen Mitteln kaum möglich, wobei das modernste nicht-invasive Verfahren, die Magnetresonanztomographie, lediglich die Visualisierung von räumlichen und zeitlichen Aktivierungsmustern erlaubt.

Aktuell vermutet man, dass ein relativ kleiner Satz von Nervenzellen mit speziellen Funktionen im Prinzip ausreicht, denn auch komplexe Prozesse, die nur im menschlichen Gehirn realisiert werden basieren vermutlich auf den gleichen neurophysiologischen Grundprinzipien wie andere kognitive Funktionen, etwa das Erkennen von Objekten. Die Verarbeitung von Sprachlauten oder Wörtern basiert also nicht auf einzelnen spezialisierten Neuronen, sondern auf kleinen Neuronengruppen mit bestimmter Aufgabe, die immer dann miteinander kooperieren, wenn es notwendig ist, und  die flexibel kombiniert werden, was erst eine nahezu unendliche Zahl von Kombinationsmöglichkeiten ermöglicht, die mit Hilfe eines relativ kleinen Sets von funktionsselektiven Neuronen realisiert werden können. Diese Neuronengruppen sind dabei nicht nur Teil eines Netzwerks, sondern sie  formieren sich zu verschiedenen Zeiten in unterschiedlichen, sich selbst organisierenden neuronalen Netzwerken, jeweils abhängig von Stimulus und den Verhaltenszielen, also von den Signalen, die Menschen von außen erreichen. Diese Art und Weise des Umgangs des menschlichen Gehirns mit Sprache legt eine genetische Vorbestimmung dieser Schaltmuster nahe, die cortikale Gebiete befähigen, bestimmte Funktionen zu übernehmen, sodass jeder Mensch mit den grundlegenden Fähigkeiten zum Sprechen-Können geboren wird, wobei diese Neuronen Strukturen danach in der Entwicklung des Individuums durch erfahrungsbezogene Selektion von Verbindungen optimiert und anschließend durch Lernprozesse verfeinert werden.

Siehe dazu im Detail Gehirn und Sprache.


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