Seit der Abspaltung des Menschen von dem gemeinsamen Vorfahren mit Schimpansen und anderen Menschenaffen hat sich das menschliche Gehirn dramatisch verändert. doch welche genetischen und entwicklungsdynamischen Prozesse für diese Abweichungen verantwortlich sind, ist bisher unklar. Zerebrale Organoide, also hirnähnliche Gewebe, die aus Stammzellen in der Petrischale gezüchtet werden, bieten nun die Möglichkeit, die Evolution der frühen Gehirnentwicklung im Labor zu untersuchen. Um die Genexpressionsdynamik und die regulatorischen Besonderheiten menschlicher Organoide zu untersuchen, verfolgten Kanton et al. (2019) über vier Monate hinweg die Entwicklungsprozesse zerebraler Organoide aus menschlichen pluripotenten Stammzellen. Anschließend verglich man zerebrale Organoide von Schimpansen und Makaken mit den Menschen, wobei sich eine ausgeprägtere cortikale Neuronenreifung bei Schimpansen- und Makakenorganoiden im Vergleich zu menschlichen Organoiden des gleichen Entwicklungsstandes zeigte, was darauf hindeutet, dass die menschliche neuronale Entwicklung langsamer verläuft als bei den anderen beiden Primatenarten. Dieser Befund liefert eine Erklärung dafür, warum Menschen deutlich länger brauchen, um erwachsen zu werden, denn das Gehirn nimmt sich deutlich mehr Zeit, um zu reifen und dabei deutlich komplexere Strukturen auszubilden. Mehr Zeit bedeutet dabei auch mehr Platz für zusätzliche Informationen.
Literatur
Kanton, Sabina, Boyle, Michael, He, Zhisong, Santel, Malgorzata, Weigert, Anne, Sanchís-Calleja, Fátima, Guijarro, Patricia, Sidow, Leila, Fleck, Jonas, Han, Dingding, Qian, Zhengzong, Heide, Michael, Huttner, Wieland, Khaitovich, Philipp, Pääbo, Svante, Treutlein, Barbara & Camp, J. (2019). Organoid single-cell genomic atlas uncovers human-specific features of brain development. Nature, 574, 418-422.
https://www.mpg.de/14003039/menschliche-gehirnentwicklung-geht-eigene-wege (19-10-19)
https://www.nature.com/articles/s41586-019-1654-9 (19-10-19)
Nachricht ::: Stangls Bemerkungen ::: Stangls Notizen ::: Impressum
Datenschutzerklärung ::: © Werner Stangl :::