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Kundentypologie des Neuromarketing

*** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Nach Presseberichten soll sich eine Bank mittels des Neuromarketing bzw. der Erstellung psychologischer Profile ihrer Kunden deren Vertrauen erschlichen und sie bewusst manipuliert zu haben. Die Bank wendet ein angeblich von Psychologen entwickeltes Verfahren an, dessen geistiger Urheber eine Unternehmensberatung war. Um den Verkauf von Versicherungen und Aktien anzukurbeln, bediente man sich Typisierungen wie „Bewahrer“, „Genießer“, „Hedonisten“, „Disziplinierte“ oder „Abenteurer“, um je nach Typ in Wort- und Themenwahl der Gespräche mehr Einfluss auf die Kunden nehmen zu können, wobei diese nichts von dieser Vorgehensweise ahnten. Die Bank rechtfertigte dieses Verfahren mit dem Aufbau von Kundenbeziehungen über längere Zeitraume, die dazu dienen sollen, die Wünsche der Kunden entsprechend bedienen zu können. Für Verkäufer bedeutet ein solches System, bei Performern kompetent zu wirken und nicht übertrieben freundlich zu sein, also sollte man im Gespräch gelegentlich die Wörter „leistungsstark“ oder „exklusiv“ verwenden. Versicherungen sind einem solchen Kunden schwieriger zu verkaufen, eher ein spezieller Fonds mit hoher Rendite, der ruhig auch etwas riskant sein darf. Mit Alter, Geschlecht und Daten über die zuletzt gewählten Geldanlagen lassen sich Bankkunden schon mit relativ großer Sicherheit zuordnen, denn wenn ein Mann über 65 ist, der keine Aktien gekauft hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er ein risikoscheuer ,Bewahrer‘-Typ ist.

Solche Typisierungen sind in verschiedenen Branchen nichts Ungewöhnliches, denn seit 30 Jahren typisieren Marktforscher die Menschen in „Sinus-Milieus“ nach Konservativität und sozialer Schichtung, wobei jetzt das Modethema Neuromarketing nun den angeblichen Einbezug neuester Gehirnforschung für die Beratungsdienstleister notwendig macht. Im Bier-Marketing ist etwa Beck’s besonders bei „Hedonisten“, „Genießern“ und „Abenteurern“ beliebt, während Radeberger vor allem von „Disziplinierten“ und „Performern“ getrunken wird. Die Typen im Detail:

Der Bewahrer
Er prüft alles sehr genau und beschäftigt sich lange mit Details. Aufgrund der Vormacht des Balance-Systems ist er eher etwas ängstlich, vorsichtig und Neuem gegenüber nicht sehr aufgeschlossen. Bei seinen Kaufentscheidungen sind die Aspekte Sicherheit, Vertrauen und Qualität von sehr großer Bedeutung. Die Konsum- und Einkaufsgewohnheiten sind vergleichsweise starr, er ist der prototypische Stammkunde, der einem Geschäft oder Unternehmen möglichst lange treu bleibt. Sein Geschmack richtet sich sehr stark nach der Masse und dem „Common Sense“, da er nicht auffallen möchte. Marken haben für ihn in erster Linie eine Sicherheits- und Vertrauensfunktion. Sein Preisverhalten ist durch eine Grundsparsamkeit geprägt, weil jede größere Ausgabe für ihn ein potenzielles Risiko darstellt. Da  er oft unsicher ist, legt er Wert auf eine kompetente Beratung. In seinem Warenkorb finden sich verstärkt regionale Produkte aus seiner Heimat, weil er denen am meisten vertraut. Bewahrer suchen häufig einen Arzt auf und haben ein großes Interesse an gesundheitlichen Fragestellungen. Neben den Aspekten Sicherheit, Vertrauen und Qualität sind Bewahrer deshalb auch für Produkte und Dienstleistungen offen, die ihre Gesundheit sichern. Bevorzugte Geschäfte sind C&A, der Edeka-Markt um die Ecke, Aldi, das Reformhaus und die Apotheke.

*** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Der Genießer
Während beim Bewahrer oft eine misstrauisch-pessimistische Grundeinstellung vorherrscht, zeichnet sich der Genießer durch eine offene und bejahende Lebensführung aus. Er liebt Produkte, die einen hohen Genusswert versprechen, die Fantasie anregen und zum Träumen verführen. Zwar achtet er auch auf Qualität und natürliche Rohstoffe, doch der Genuss-Aspekt darf dabei nicht zu kurz kommen. „Verwöhnen und verwöhnen lassen“, lautet sein Motto. Genießer lieben das Shoppen, gönnen sich dazwischen aber immer wieder gerne eine Pause für einen Espresso. Ihre bevorzugte Welt sind Marken mit Erlebnis-Charakter. Genießer sind kontaktfreudig und besuchen gerne Ereignisse und Events, bei denen sie neue Menschen kennen lernen können. Dabei ist ihnen aber auch das gemeinsame Erlebnis mit der Familie wichtig. Der Preis steht für den Genießer nicht im Vordergrund. Er rechnet trotzdem, weil er für möglichst wenig Geld viel Genuss haben will. Aufgrund seines Balance-Anteils ist für ihn die Natürlichkeit eines Angebots von großer Bedeutung, Wellness-Produkte und Dienstleistungen mit Wohlfühlcharakter sind für ihn kennzeichnend. Bevorzugte Geschäfte sind Shopping-Center mit Erlebnisgastronomie, dm-Drogeriemärkte, Douglas und Ähnliches. Unter den Genießern finden sich sehr viele Frauen.

Der Hedonist
Im Gehirn des Hedonisten regiert das Stimulanz-System. Er denkt weniger gern nach, sondern wendet bevorzugt bekannte Regeln an oder verknüpft diese neu. Der Hedonist ist immer auf der Suche nach der nächsten Belohnung. Qualität und Herkunft eines Produkts spielen für ihn eine geringe Rolle, Hauptsache das Ganze ist neu und anders, am besten laut, schrill, extravagant und individuell. Hedonisten sind typische „Early Adopter“, die sich als Erste mit neuen Trends und Produkten beschäftigen. Sie zählen zu den klassischen Impulskäufern, die viel und gerne einkaufen, auch wenn sie die Produkte nicht unbedingt brauchen. Einkaufsstättentreue und Beratungsbedarf sind gering, wei die extrem optimistische Grundstimmung das Risiko verdrängt. Gesundheitsfragen spielen bei Hedonisten nur eine geringe Rolle, sie sehen den eigenen Körper als Erlebnis- und Gestaltungszone, mit der man sich darstellen kann. Bevorzugte Einkaufsorte sind H&M, Segafredo, Mode-Boutiquen sowie die typischen In-Kneipen.

*** Hier KLICKEN: Das BUCH dazu! *** Der Disziplinierte
Dieser Typ ist der Gegenpart des Hedonisten. Während dieser optimistisch nach Genuss und Abwechslung sucht, begegnet der Disziplinierte der Welt eher pessimistisch und misstrauisch. Er sucht keine Abwechslung und der Genuss spielt deshalb für ihn auch nur eine geringe Rolle. Der Disziplinierte kauft nur das, was er wirklich braucht: keinen Schnickschnack, sondern auf die reine Funktion Reduziertes. Weil die Welt sicher und beherrschbar sein soll und er unliebsame Überraschungen hasst, sind Qualitäts- und Garantieaspekte von größerer Bedeutung. Bis zur Kaufentscheidung investiert der Disziplinierte viel Zeit in den Preisvergleich und braucht deshalb sehr lange, bis er einen Entschluss fasst. Dabei ist ihm alles, was die Welt berechenbarer macht (Beispiel: Stiftung Warentest), willkommen und wichtig. Geschätzt werden Einkaufsstätten mit berechenbarer Qualität, ohne Schnickschnack und zu günstigen Preisen. Disziplinierte suchen nur wenige Geschäfte auf, die sie  sehr gut kennen. Sparsamkeit zählt dabei zu ihren Grundtugenden.

Apropos: Sparsamkeit
Steinhart & Jiang (2019) haben untersucht, wann und warum eine Bedrohung des Selbstbildes Sparabsichten beeinflusst, wobei Daten aus sieben Studien, einer Umfrage und sechs Experimenten zeigen, dass Menschen, die eine Bedrohung ihres Selbstbildes erfahren, negative Erwartungen an ihre Zukunft erzeugen. Menschen, die sich Sorgen um ihre Lebensumstände machen, fangen daher an zu sparen, weil sie mit einer möglichen Notsituation rechnen und ihre Zukunft absichern wollen. Hinzu kommt, dass Menschen mit mehr sozialen Kontakten und einer größeren Zufriedenheit mit ihrem Sozialleben dazu tendierten, weniger Geld zu sparen, d. h., Freunde können Geld als psychologische Ressource ersetzen und ihnen die Angst vor ihrer Zukunft nehmen. Eine gefühlte Unsicherheit erhöht offenbar die Bereitschaft zum Geldsparen, doch wer von vertrauten Menschen umgeben ist, denkt seltener an Geld als Reserve.

Der Abenteurer
Während es dem Hedonisten um den Genuss an sich geht, kommt beim Abenteurer eine kämpferische Komponente hinzu. Sich durchsetzen, sich selbst beweisen und trotzdem etwas dabei erleben – das ist seine Welt. Bei seinen Kaufentscheidungen spielt die Produktqualität eine geringe Rolle, im Vordergrund stehen die sichtbare Mehrleistung und der Spaß. Die Einkaufsstätten-Treue der Abenteurer ist gleich null, Gleiches gilt für den persönlichen Beratungsbedarf. Was der Abenteurer für seine Kaufentscheidung wissen muss, hat er bereits im Internet recherchiert. Gesundheitsfragen sind für Abenteuer-Typen kein Thema, oft ist sogar das Gegenteil der Fall. Denn es besteht keinerlei Risikobewusstsein, so dass der Körper oft an die Grenze der Leistungsfähigkeit geführt wird. Bevorzugte Sportarten sind Mountainbiken, Snowboarden oder Freeclimbing. Da zum Abenteurer immer auch Rebellion gehört, sind ihm Konventionen gleichgültig. Produkte, die er kauft, müssen befreien oder die Leistung steigern. Beliebt sind dabei laute Rabattaktionen.

Der Performer

Ein ins Auge gefasstes Ziel wird vom Performer eisern verfolgt, er setzt förmlich Scheuklappen auf. Er will zeigen, dass er der Beste und Größte ist. Deshalb sind Einkaufsorte und Produkte für ihn von großer Relevanz, die für Cleverness stehen oder einen hohen Status versprechen. Ein teurer Wein fasziniert den Performer weniger wegen seines Geschmacks, sondern wegen der Kennerschaft, die man abends in der Runde von Kollegen oder Freunden demonstrieren kann. Performer kaufen Produkte, die überlegene Leistung, technische Perfektion und/oder Status versprechen. Um sich von der Masse abzuheben, werden exklusive Restaurants und Geschäfte aufgesucht. Weil er besonders clever sein will, verachtet der Performer aber auch die Discounter nicht. Dort kauft er bevorzugt solche Artikel, die weitgehend unbemerkt von anderen verwendet werden können (etwa Putzmittel). Um sein Ego durchzusetzen, versucht er, den Preis wo immer es geht zu drücken. Ausnahme: Sind Status und Prestige-Gewinn eines Produktes groß, spielt der Preis für ihn nur noch eine geringe Rolle.


Literatur

Steinhart, Y. & Jiang, Y. (2019). Securing the Future: Threat to Self-Image Spurs FinancialSaving Intentions. Journal of Personality and Social Psychology, doi:10.1037/pspa0000159.
www.handwerk-magazin.de/files/smfiledata/2/9/8/0/6/Kundentypen.pdf (10-11-02)


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