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Kulturübergreifende soziale Normen

Soziale Normen spielen eine wichtige Rolle in menschlichen Gesellschaften und sie unterscheiden sich von Kultur zu Kultur, wobei Studien gezeigt haben, dass soziale Normen eine Schlüsselrolle bei der Motivation zur Zusammenarbeit und bei der Erklärung des Umfangs und der kulturellen Vielfalt von Prosozialität spielen. Die Fähigkeit zur Kooperation ist wohl eines der Schlüsselelemente des Erfolgs der Menschheit, da Individuen nicht immer nur an sich selbst denken, sondern verschiedenste prosoziale Verhaltensweisen entwickelt haben. In einem gewissen Rahmen ist der Mensch bereit, mit anderen zu teilen, auch wenn daraus für ihn kein unmittelbarer Vorteil entsteht. Allerdings gibt es bei der Art und Weise, wie Menschen sich prosozial verhalten, Unterschiede zwischen den Kulturen. Man geht davon aus, dass dies auf der Vermittlung und Verfestigung von Normen beruht, die Teil der Entwicklungsprozesse in diesen sozialen Systemen sind.

Es gibt nur wenige Studien, die soziale Normen direkt mit der Form, Entwicklung und Variation des prosozialen Verhaltens in verschiedenen Gesellschaften in Verbindung bringen. In einer interkulturellen Studie in acht Gesellschaften liefern House et al. (2019) den Nachweis, dass das prosoziale Verhalten von Erwachsenen von anderen Mitgliedern ihrer Gesellschaft als die richtige soziale Norm vorhergesagt wird, und dass sich die Reaktionsfähigkeit von Kindern auf neue soziale Normen in allen Gesellschaften ähnlich entwickelt, wobei sich gesellschaftlich variables prosoziales Verhalten gleichzeitig mit der Reaktionsmöglichkeit von Kindern auf Normen in der mittleren Kindheit entwickelt. Die Vergleiche deuten auch darauf hin, dass Kinder in der mittleren Kindheit besonders empfindlich auf kulturspezifische Informationen zum Verhalten reagieren. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass die Entwicklung des prosozialen Verhaltens von einer Reaktion auf normative Informationen geprägt werden, die sich in diesen sozialen Systemen entwickelt haben. Diese Daten stützen daher die Hypothese, dass die Entwicklung des prosozialen Verhaltens von der Reaktion auf normative Informationen geprägt ist, die sich universell über Gesellschaften hinweg entwickelt haben.

Zahlreiche Studien haben eine positive Beziehung zwischen Prosozialität und persönlichem Wohlbefinden gezeigt, wobei weitgehend unklar blieb, wie sehr sich diese Beziehung verändert hat und die Moderatorvariablen, die sie beeinflussen. Hui et al. (2020) haben in einer Metaanalyse untersucht, wie stark die Verbindung zwischen Prosozialität und Wohlbefinden unter verschiedenen Operationalisierungen ist und wie eine Reihe von theoretischen, demographischen und methodischen Variablen die Verbindung moderiert. Zwar zeigt sich nur eine geringe mittlere Gesamteffektgröße zwischen Prosozialität und Wohlbefinden, doch gab es eine beträchtliche Variabilität des Effekts in Abhängigkeit von zahlreichen Moderatoren. Insbesondere war der Effekt der Prosozialität auf das eudaimonische Wohlbefinden (ausgeglichene Gemütslage) stärker als der auf das hedonistische Wohlbefinden (Lustgewinn). Konkret sind also zufällige Freundlichkeiten, etwa wenn man dem Nachbarn spontan dabei hilft, seine Einkäufe zu tragen, wirkungsvoller für das eigene Wohlbefinden als formalisierte, etwa, wann man regelmäßig beim Roten Kreuz arbeitet, was daran liegen könnte, dass informeller Altruismus abwechslungsreicher ist und eher neue Kontakte fördert. Altruismus, Kooperation, Vertrauen und Mitgefühl tragen in gewissem Ausmaß daher zu mentaler und körperlicher Gesundheit bei, wobei eine generelle Herzlichkeit gegenüber Mitmenschen zu einem tiefer gelegenen, mit der Suche nach dem Sinn des Lebens zusammenhängendem Glücksgefühl führt. Ältere Menschen fühlen sich durch altruistisches Tun vor allem körperlich gesünder, jüngere Menschen geistig fitter und allgemein besser, während bei Frauen der Zusammenhang insgesamt deutlicher ist, was nicht zuletzt an den gesellschaftlichen Normen liegt, die ihnen mehr Sorge um andere zuschreibt als Männern.

Literatur

House, Bailey R., Kanngiesser, Patricia, Barrett, H. Clark, Broesch, Tanya, Cebioglu, Senay, Crittenden, Alyssa N., Erut, Alejandro, Lew-Levy, Sheina, Sebastian-Enesco, Carla, Smith, Andrew Marcus, Yilmaz, Süheyla & Silk, Joan B. (2019). Universal norm psychology leads to societal diversity in prosocial behaviour and development. Nature Human Behaviour, doi:10.1038/s41562-019-0734-z.
Hui, B. P. H., Ng, J. C. K., Berzaghi, E., Cunningham-Amos, L. A., & Kogan, A. (2020). Rewards of kindness? A meta-analysis of the link between prosociality and well-being. Psychological Bulletin, doi:10.1037/bul0000298.


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