Bei der Beurteilung der Körperhaltung ist das erste, worauf man sein Augenmerk richten sollte, die Gewichtsverlagerung. Steht ein Mensch aufrecht oder ist sein Gesicht vor bzw. hinter das Becken verlagert? Je gerader nämlich jemand steht, desto aufrechter ist vermutlich auch seine innere Haltung, denn so ein Mensch ist weder unsicher (das wäre eine Neigung nach vorne) noch überheblich (das wäre die Neigung nach hinten). Ein weiterer wichtiger Aspekt der Körperhaltung ist die Offenheit bzw. Geschlossenheit, womit der Hals- und Brustraum gemeint ist. Auch ist wichtig, ob ein Mensch frei steht oder ob er irgendwo eine Stütze sucht, denn es gibt Menschen, die sich permanent irgendwo anlehnen müssen. Die Körperhaltung ist somit ein Ausdruck von Gefühlen und persönlichen Befindlichkeiten, und liefert Interpretationshilfen dafür, wie sicher, souverän, überlegen sich jemand fühlt. So spiegelt sich etwa Fröhlichkeit in einer aufrechten, offenen Haltung oder Resignation in einer leicht gebeugten, in sich gekehrten, also optisch eher geschlossenen Haltung wider. Auch die Konzentration auf einen anderen Menschen, Neugier, Irritation oder auch nur Nachdenklichkeit lassen sich aus der Körperhaltung ablesen. Ein weiteres Kennzeichen ist die plötzliche Veränderung der äußeren Haltung, denn diese spiegelt immer eine plötzliche Veränderung der inneren Haltung wider.
Vom sozialen Rang her höhergestellte nehmen Menschen in ihrer Körper- und Sitzhaltung in der Regel mehr Raum für sich in Anspruch, sie geben sich von der Körperhaltung her meist offener, weil sie sich für weniger verletzlich halten. Mit der Analyse der Körperhaltung können häufig eindeutige Aussagen über Statusunterschiede zwischen Interagierenden getroffen werden.
Auch die Körperbewegungen spielen bei der Gesamtinterpretation der Haltung eines Menschen eine Rolle. Ein vorgeneigter Oberkörper in einem Gespräch signalisiert Aufmerksamkeit oder den Hinweis, dass jemand etwas sagen möchte, er kann aber auch mit dieser Haltung Skepsis ausdrücken. Mit einem demonstrativen Zurücklehnen wird Desinteresse oder Missfallen am Thema angedeutet. Die Sitzhaltung und wieviel Raum in Anspruch genommen wird liefert Anhaltspunkte für die Wahrnehmung. Jugendliche etwa wollen dadurch signalisieren, dass sie gutem Benehmen wenig Beachtung schenken und dadurch ihre Unabhängigkeit und Selbständigkeit für alle sichtbar dokumentieren können. Dabei ist aber häufig zu erkennen, dass das Ignorieren des mit Erziehung ja irgendwann einmal erworbenen Verhaltens Überwindung kostet.
Manche Menschen beschränken sich beim Sitzen auf die Sitzkante, lehnen sich nicht gemütlich zurück und setzen ihren Körper damit einer physischen Belastung aus, die eine psychische Anspannung zwangsläufig noch verstärkt und einem Beobachter Unsicherheit, mangelndes Selbstbewusstsein und Nervosität signalisiert. Je mehr jemand dafür sorgt, dass er bequem sitzen kann, desto souveräner gibt er sich, was als Selbstbewusstseins bei Zuhörern und Beobachtern ankommt. Eine angespannte Sitzhaltung kann in Kombination mit krampfhaften Fußbewegungen auch bedeuten, dass jemand fliehen möchte, da ihn die Unterhaltung eigentlich überhaupt nicht interessiert.
Auch der Gang gehört als Ausdrucksmittel zur Körperbewegung und läuft in gewisser Weise in Bezug auf den Ausdruck von Gefühlen synchron zur Körperhaltung. Zusätzlich aber ist ein gehender Körper in Bewegung, sodass man sich fragen kann, wie diese Bewegung realisiert wird. Geht ein Mensch zielsicher, sind seine Bewegungen flüssig, geschmeidig, beweglich oder steif und verkrampft? Signalwirkung kann dabei auch die Art haben, wie ein Mensch seine Füße auf den Boden setzt, denn ein Mensch, der das Knie vor den ersten Punkt des Körpers zieht, demonstriert Vorsicht oder eher noch Unsicherheit. Im Gegensatz dazu kann man auch so gehen, dass die Zehen immer vorausgehen. Ein Zehengang hingegen ist meist ein kräftiger, raumeinnehmender Gang, d. h., so läuft ein Mensch, der keine Angst hat, vielleicht ein klares Ziel vor Augen hat oder möglicher Weise auch in Eile ist. Dabei sollte darauf geachtet geachtet werden, ob das Körpergewicht vor, über oder hinter dem Becken liegt.
Eine Untersuchung zeigte auch, dass das Gehirn bei der Kontrolle des Armschwungs beim gewöhnlichen Gehen eine wichtige Rolle spielt. Man ließ Männer und Frauen zwischen 18 und 80 Jahren auf einem Laufband gehen, wobei sie bei angenehmer Gehgeschwindigkeit eine irritierende Sprachaufgabe lösen sollten, den Stroop-Test. Es zeigte sich zum einen, dass die Probanden mit zunehmendem Alter immer schlechter abschnitten, zum anderen wurde beim Lösen der Aufgaben der Schwung des rechten Arms gebremst, so dass die Schwungbewegungen beider Arme asymmetrisch wurden. Da die Verarbeitung von Sprachaufgaben wie dem Stroop-Test in der linken Gehirnhälfte erfolgt, sind die Auswirkungen am rechten Arm zu sehen, denn seine Bewegungen werden von der linken Hemisphäre gesteuert. Ausgenommen davon waren junge Frauen, denn ihre Arme schwangen auch beim Lösen der Sprachaufgabe symmetrisch, und erst nach der Menopause verschlechtert sich diese Multitasking-Fähigkeit. Man vermutet, dass es etwas mit dem Östrogenspiegel zu tun hat.
Übrigens: Powerposen, also übertriebene aufrechte Körperhaltungen, sollen Menschen angeblich selbstbewusster und risikobereiter machen, doch empirisch gibt es dafür keinerlei Beweise. Alle Studien zum Thema Powerposing, in denen man eine übertriebene aufrechte Körperhaltung mit einer gebückten Körperhaltung verglichen hat, jedoch nicht mit einer ganz normalen, aufrechten Körperhaltung, konnten belegen, dass Powerposen günstiger für das Selbstbewusstsein sind als eine normale Körperhaltung. Elkjær et al, (2020) haben nun in einer Metastudie untersucht, ob der Effekt von Bewegungen und Körperhaltungen wirklich robust ist, sich also in unterschiedlichen Studien nachweisen lässt, oder ob er eher darauf zurückzuführen ist, dass in wissenschaftlichen Zeitschriften vor allem positive Befunde veröffentlicht werden. Mit speziellen Verfahren zur statistischen Kontrolle des Publikationsbias wurden Ergebnisse von über siebzig Studien analysiert, wobei sich zeigte, dass der Effekt des Körpers auf die Psyche stabil ist und unterschiedliche emotionale und verhaltensbezogene Variablen, wie Gefühle, das emotionale Gedächtnis oder die Risikobereitschaft durch das motorische System beeinflusst werden. Effekte auf das Hormonsystem konnte hingegen nicht nachgewiesen werden. Die Analysen bestätigten auch, dass eine zusammengesunkene Körperhaltung sich negativ auf den Zustand der Menschen auswirkt, jedoch wurden keine Hinweise für die positiven Effekte einer betont expansiven Körperhaltung im Sinne des Power-Posing gefunden.
Zwischen motorischen und emotionalen Prozessen existieren höchstwahrscheinlich enge Wechselwirkungen. Es gibt in der Psychologie Modelle, die besagen, dass Gefühle in Netzwerken organisiert sind. Darin sind verbale Informationen, die mit einer fröhlichen oder traurigen Stimmung assoziiert sind, abgespeichert, aber auch bestimmte Bilder und motorische Prozesse. Wenn man einen Knoten in diesem Netzwerk aktiviert, also einen Knoten, der körperliche Aspekte repräsentiert, etwa durch eine bestimmte Sitzhaltung, dann breitet sich die Aktivierung im gesamten Netzwerk aus. Wenn man mit einem positiv besetzten Bild arbeitet, kann sich die Aktivierung dann ebenfalls im gesamten Netzwerk ausbreiten und hätte vielleicht Auswirkungen auf die Körperhaltung. Man kann auf unterschiedlichen Wegen Zugang zu diesem Emotionsnetzwerk bekommen. Die einzelnen Elemente innerhalb des Netzwerkes beeinflussen sich gegenseitig. Das kennen Sie vielleicht selber: Wenn Sie traurig sind, dann schießen Ihnen bestimmte Gedanken durch den Kopf. Und Sie bewegen sich auch in einer bestimmten Art und Weise, weil die einzelnen Prozesse miteinander verknüpft sind.
Quelle: Johannes Michalak in einem Interview in der Augsburger Allgemeinen vom 8. September 2020.
Literatur
Elkjær, E., Mikkelsen, M.B., Michalak, J., Mennin, D. S. & O’Toole, M.S. (2020). Expansive and contractive postures and movement: A systematic review and meta-analysis of the effect of motor displays on affective and behavioral responses. Perspectives on Psychological Science, doi: 10.1177/1745691620919358.
Stangl, W. (2018). Die Deutung und das Erlernen der Deutung von nonverbaler Kommunikation. [werner stangl]s arbeitsblätter.
WWW: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/KommNonverbale5.shtml (2015-01-03).
https://www.watson.ch/wissen/schweiz/226235112-zuercher-forscher-junge-frauen-sind-die-besten-multitasker (20-08-07)
Nachricht ::: Stangls Bemerkungen ::: Stangls Notizen ::: Impressum
Datenschutzerklärung ::: © Werner Stangl :::