Es ist ein Rätsel, warum manche Menschen zu unrealistischem Optimismus neigen, der oft zu übermäßig riskantem Verhalten und mangelnder Vorsorge führt. Solche überoptimistischen Menschen neigen dazu, finanzielle Risiken einzugehen, weniger Geld zu sparen, mehr in unsichere Aktien zu investieren, wichtige Lebensentscheidungen leichtfertiger zu treffen und sich häufig zu verschulden, wobei sie auch gesundheitliche Risiken unterschätzen: Sie rauchen häufiger und ignorieren das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, und trinken Alkohol, ohne sich Sorgen zu machen, abhängig zu werden. Der Effekt des blinden Optimismus wird noch verstärkt, wenn Stress hinzukommt, denn vor allem bei außergewöhnlichen Belastungen, in Momenten psychischen Drucks, kann der unbedingte Glaube an die Zukunft das Denken dieser Menschen immer weiter von der Realität entfernen, so dass häufig voreilige Entscheidungen getroffen und Gedanken an mögliche negative Konsequenzen unterdrückt werden.
Dawson (2023) fand anhand von Daten einer großen, landesweit repräsentativen britischen Stichprobe heraus, dass dieser Optimismus zum Teil eine Folge geringer kognitiver Fähigkeiten ist, gemessen an einem breiten Spektrum kognitiver Fähigkeiten, darunter Gedächtnis, sprachliche Gewandtheit, flüssiges Denken und Zahlenverständnis. Unrealistischer Optimismus wurde operationalisiert als die Differenz zwischen den finanziellen Erwartungen einer Person und der darauf folgenden finanziellen Realisierung, gemessen jährlich über ein Jahrzehnt. Unter sonst gleichen Bedingungen steigt die Wahrscheinlichkeit für Realismus im Sinne von Pessimismus bei Personen mit den höchsten kognitiven Fähigkeiten um 22 % und sinkt die Wahrscheinlichkeit für Optimismus um 34,8 % im Vergleich zu Personen mit den niedrigsten kognitiven Fähigkeiten. Dies deutet darauf hin, dass die negativen Auswirkungen einer übermäßig optimistischen Denkweise zum Teil ein Nebenprodukt der eigentlichen Triebkraft, nämlich der geringen kognitiven Fähigkeiten, sein könnten, da Zukunftserwartungen und Realität weniger häufig übereinstimmen. Vereinfacht ausgedrückt bestätigen die Ergebnisse die Vermutung, dass Pessimisten die klügeren Menschen sind.
Literatur
Dawson, Chris (2023). Looking on the (B)right Side of Life: Cognitive Ability and Miscalibrated Financial Expectations. Personality and Social Psychology Bulletin, doi:10.1177/01461672231209400.
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