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Hurry Sickness – Managerkrankheit auch bei Frauen

Mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen, nichts liegen lassen können, Aufgaben unter ständigem Druck zu verrichten kennzeichnen ein Phänomen, das Wissenschaftler als Hetzkrankheit (Hurry Sickness) bezeichnen. Dieses Syndrom gilt als Vorstufe des Burnout und ist bisher als typisch männliche Managerkrankheit bekannt. Eine Umfrage unter Frauen hat aber gezeigt, dass jede Zweite von zehn der elf abgefragten Symptomen ständig oder zumindest gelegentlich betroffen ist. Das Leitsymptom der Hetzkrankheit ist mit 87 Prozent das Streben, mehrere Dinge gleichzeitig erledigen zu wollen. Das so genannte Multitasking wird gerne als eine besonders bemerkenswerte Fähigkeit von Frauen interpretiert, ohne gleichzeitig die möglichen negativen Folgen zu beachten. Vor allem ständige Eile und Hetze empfinden 80 Prozent der Befragten als Stressfaktor, gefolgt von der Mehrfachbelastung durch Beruf, Familie und Haushalt mit 63 Prozent. Das ständige Umschalten zwischen vielen Aufgaben führt zu einem Zustand der Überforderung, die an unserem Körper nicht spurlos vorrübergeht. Magen und Psyche sind eng miteinander verbunden, da ein dichtes Nervengeflecht den Verdauungapparat umschließt. Das so genannte Bauchhirn fühlt mit und steuert autonom die Funktionen des Magen-Darm-Trakts. Dabei gehen 90 Prozent der gesamten Informationen in Form von Nervenimpulsen und Hormonen vom Bauch zum Gehirn. Stress kann diese Funktion stören und zum Beispiel eine erhöhte Säureproduktion hervorrufen. Jeder dritten Frau schlägt ständige Hetze zeitweise auf den Magen, wobei Sodbrennen und saures Aufstoßen dabei mit 15 Prozent das häufigste Symptom sind. Jede zweite Frau gibt an, aufgrund von Zeitmangel unregelmäßig zu essen. Mehr als die Hälfte der Befragten belohnt sich gerne mit Genussmitteln wie einem Glas Wein, einer Zigarette oder Süßigkeiten, die ebenfalls die Produktion von Magensäure fördern.

Multitasking beim Menschen überhaupt möglich?

Das Gehirn ist nicht in der Lage, mehrere kognitiv anspruchsvolle Aufgaben gleichzeitig zu bearbeiten, sondern dieser Eindruck entsteht nur dadurch, dass die Aufmerksamkeit stets hin und herspringt, was manche Menschen besser beherrschen als andere. Untersuchungen haben stets die nachteiligen Auswirkungen von Multitasking auf Leistungen gezeigt, wobei Srna, Schrift& Zauberman (2016) hinzufügen, dass Multitasking bzw. Single-Tasking oft nur eine Frage der subjektiven Wahrnehmung ist. Viele Aktivitäten können als Multitasking oder Single-Tasking wahrgenommen werden, was Auswirkungen auf Leistung und Engagement hat. Das bedeutet, dass die gleiche Aktivität als Multitasking oder Single-Tasking empfunden werden kann, wobei die bloße Wahrnehmung von Multitasking die Leistung verbessert. Es ist offenbar eine Modeerscheinung, dem eigenen Tun das Label Multitasking zu verleihen, um zu betonen, wie fordernd eine Aufgabe ist. Das führt bei manchen Menschen dazu, dass wenn sie ihre Tätigkeit als Herausforderung betrachten, ihre Anstrengungen intensivieren, konzentrierter sind, und zwar auch dann, wenn die Aufmerksamkeit nur häufiger hin und her springt. Daraus lässt sich der Umkehrschluss ziehen, dass eine einzige Aufgabe ohne Ablenkungen und Zusatzanforderungen oft nicht mehr ernst genug genommen wird, um diese mit voller Aufmerksamkeit anzugehen, sondern man sucht parallel eine zweite Aufgabe zu erledigen, um sich das Gefühl zu verschaffen, besonders leistungsfähig zu sein.

Das menschliche Gehirn arbeitet bei der Ausführung mehrerer Handlungen immer wie ein Rechner mit nur einem Prozessor. Im Fall von Entscheidungsprozessen ist damit der seitliche Bereich des frontalen Kortex, der sogenannte Stirnlappen, verbunden. Die Neuronen hier haben nur eine begrenzte Verarbeitungskapazität und können jeweils nur die Informationen sinnvoll zusammenbinden, die für eine Entscheidung wichtig sind. Also unterbrechen Menschen die eine Handlung, während die bei der anderen mit einer Entscheidung konfrontiert sind. Experimente von  Iring Koch, Psychologieprofessor an der Technischen Hochschule Aachen haben gezeigt, dass das Zeit kostet: Je dichter der Abstand zwischen zwei Reizen, denen die Versuchspersonen ausgesetzt wurden, desto länger brauchten sie, um auf den zweiten Reiz zu reagieren. Der Versuch, auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen, hat aber nicht nur Zeitverluste zur Folge, sondern führt auch vermehrt zu Fehlern. Zum Beispiel, weil sich zwei Informationen gegenseitig beeinflussen und im Gehirn einen „Cross Talk“ beginnen. Nach Untersuchungen von Torsten Schubert (Universität München) kann man es  trainieren, voneinander unabhängige Dinge parallel zu erledigen. Einerseits macht sich dann in jeder Einzelaufgabe aufgrund des Trainings bald die Routine bemerkbar, zugleich übt man aber auch, die Arbeit an beiden Aufgaben zu koordinieren. Dabei wächst allmählich die Fähigkeit, schnell zwischen zwei Aufgaben hin und her zu schalten. Letztlich können aber beide Aufgaben nie so gut erledigt werden, wie wenn man beide nacheinander mit hoher Konzentration ausführt.

Tipps gegen Hurry-Sickness

Ein Symptom für sich allein ist noch nicht problematisch, denn möglicherweise habt man im Moment wirklich viel zu tun. Vielleicht ist man auch kein Mensch, der sich beim „Nichtstun“ wohl fühlt und entspannt sein kann.

  • Fragen Sie sich immer wieder kritisch: „Welchen Stellenwert hat meine Arbeit auf mein Leben?“ und „Leidet mein Privatleben unter meiner Arbeit?“
  • Planen Sie bewusst Pausen und Leerlaufzeiten ein.
  • Achten Sie gezielt auf einen Ausgleich zur Arbeit. Unternehmen Sie regelmäßig etwas, was nichts – aber auch gar nichts – mit Arbeit oder Leistung zu tun hat. Dazu gehören zum Beispiel Ausflüge mit der Familie, ein Besuch im Museum oder Zoo und Treffen mit Freunden oder Bekannten.
  • Richten Sie sich ein Zeit-Tagebuch ein, mit dem Sie Ihren „Zeitverbrauch“ protokollieren. Überprüfen Sie immer wieder, ob Sie Freizeit und Ausgleich genügend Raum geben. Wenn nicht: Setzen Sie Ihre Planung konsequent um.
  • Entrümpeln Sie Ihre Aufgabenliste. Fragen Sie sich, ob gerade Sie eine neue Aufgabe übernehmen müssen. Trennen Sie sich von allen Verpflichtungen, die nicht zwingend erforderlich sind, oder die Sie nicht zwingend selber machen müssen.

Literatur

Srna, S. (2018). The Perception of Multitasking. Dissertations available from ProQuest. AAI10791581.
WWW: https://repository.upenn.edu/dissertations/AAI10791581
Srna, S., Schrift, R. & Zauberman, G. (2016). Multitasking: Perception and Performance. Advances in Consumer Research, 44, 630-631.
Presse-Information „Macht Multitasking Frauen krank?“
WWW: http://www.viva.vita.bayerhealthcare.de/index.php?
id=109&tx_ttnews%5Btt_news%5D=12600&cHash=29b38c014d (08-08-07)
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/Multitasking;art1117,2668333 (08-11-24))
http://www.experto.de/b2c/lebensberatung/stress/
was-sie-gegen-hurry-sickness-tun-koennen.html (11-04-21)


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Ein Gedanke zu „Hurry Sickness – Managerkrankheit auch bei Frauen“

  1. Wenn man genau liest, und sich nicht von der eigenen Faulheit manipulieren lässt – stehen in diesen Artikeln die entscheidenden Dinge, insbesondere in den letzten Sätzen des letzten Artikels.
    Gerne wird die Überforderung durch die Informationsflut verteufelt, damit die schönen Geräte, der Computer überhaupt (das hat ja gottseidank etwas nachgelassen) usw. Übrigens hat sich Goethe schon ähnlich über die Verbreitung von gedruckten Büchern geäußert… darauf haben sich unsere Gehirne eben eingestellt.
    Ja, seit Schirrmacher ein ganzes Buch darüber geschrieben hat – ist das Thema ja wohl inn.
    Aber es geht um „Training“. Das Gehirn kann derart viel lernen, und sich an die komischsten Situationen anpassen – es muss nur trainiert werden.
    Außerdem wird in den Artikeln nicht zwischen Stress und Multitasking unterschieden. Das ist sehr unsauber, und hilft auch nicht weiter. Denn unter Stress reagiert man mit Symptomen, egal ob es sich um eine oder viele Aufgaben handelt. Wenn zB das Fließband zu schnell geht oder ich wegen Akkord unter hohem Druck stehe – ist das Stress und macht krank. Aber für das Gehirn ist es eigentlich eine höchst simple Tätigkeit.
    Dass die Mehrfachbelastung von vielen Frauen mit Multitasking verwechselt wird, ist ein weiterer krasser Fehler in diesem Artikel. Heutzutage stören solche Interpretationsfehler ja nicht mehr, Hauptsache, man kann seine Botschaft anbringen.
    Die Mehrfachbelastung von Beruf, Familie und Haushalt ist nicht unbedingt ein Multitasking im Sinne der beschriebenen Gehirn-Verarbeitung. Sie ist einfach ein Zuviel. Ein Zuviel insgesamt, nicht an gleichzeitig zu verarbeitenden Informationen.

    Multitasking unter optimalem Stress (wir wissen ja, zu wenig Stress ist auch nix) fördert das Gehirn, hält jung und flexibel!

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