Lengersdorff et al. (2023) untersuchten in einer prospektiven experimentellen Studie mit funktioneller Magnetresonanztomographie die kausalen Effekte von gewalthaltigen Videospielen auf das Verhalten und die neuronalen Korrelate von Empathie und emotionaler Reaktivität auf Gewalt. Es wurden männliche Teilnehmer ohne vorherige Erfahrung mit solchen Computerspielen rekrutiert. Über einen Zeitraum von zwei Wochen spielten die Teilnehmer entweder ein stark gewalthaltiges Videospiel oder eine nicht gewalthaltige Version desselben Spiels. Vor und nach dieser Zeit nahmen die Teilnehmer an einem fMRI-Experiment teil, bei dem ihr Einfühlungsvermögen in Schmerz und ihre emotionale Reaktion auf gewalttätige Bilder gemessen wurden. Die Teilnehmer der Experimentalgruppe, die die gewalthaltige Version des Computerspiels absolviert hatten, reagierten nach der Spielphase genauso intensiv auf die abschreckenden Bilder wie vorher, und auch die Hirnaktivität in den für die Verarbeitung von Emotionen zuständigen Hirnarealen wie der Amygdala hatte sich nicht verändert. Auch gegenüber der Kontrollgruppe mit der entschärften Spielversion konnten keine signifikanten Unterschiede nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine kurze und kontrollierte Exposition mit solchen Spielen weder die Empathie noch die Reaktionen auf Gewalt in der realen Welt betäubt, obwohl nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich Effekte in Settings mit höherer ökologischer Validität, bei vulnerablen Subpopulationen oder nach längerer Spieldauer finden lassen.
Offenbar haben wenige Stunden Videospielgewalt keinen signifikanten Einfluss auf das Einfühlungsvermögen psychisch gesunder erwachsener Versuchspersonen, aber diese Ergebnisse widersprechen nicht wirklich denen früherer Studien, da die untersuchte Stichprobe nicht nur nicht repräsentativ für die typische Spielerpersönlichkeit ist, sondern vermutlich gerade eine solche ist, die wenig Interesse an solchen Spielen entwickelt hat, was auch die Motivation für solche Spiele beeinflusst haben dürfte.
Siehe dazu die ausführliche Darstellung bisheriger Untersuchungen zu dieser Thematik:
Computer und Gewalt
Computerspiele machen aggressiv
Spielsucht
Literatur
Lengersdorff, Lukas Leopold, Wagner, Isabella C, Mittmann, Gloria, Sastre-Yagüe, David, Lüttig, Andre, Olsson, Andreas, Petrovic, Pedrag, Lamm, Claus, Press, Clare & Roiser, Jonathan (2023). Neuroimaging and behavioral evidence that violent video games exert no negative effect on human empathy for pain and emotional reactivity to violence. eLife, doi:10.7554/eLife.84951.
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