Untersuchungen haben schon gezeigt, dass Geschwistermobbing später im Leben Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hat, und zwar sowohl für die Opfer als auch für die Mobbenden. Dantchev & Wolke (2019) fanden nun in einer Analyse Merkmale in Familien, die das Mobbing von Geschwistern wahrscheinlicher machen. Anhand der Daten der „Avon Longitudinal Study of Parents and Children“ (Daten von 6.838 britischen Kindern, geboren 1991 oder 1992) identifizierten sie Risikofaktoren für Geschwistermobbing von der Schwangerschaft bis zur frühen Adoleszenz in Familien, die Geschwistermobbing als Opfer und Täter vorhersagen können. 28,1% der untersuchten Kinder waren dabei an Geschwistermobbing beteiligt. Die Faktoren lassen sich in vier Kategorien einteilen:
- Strukturelle Familienmerkmale wie Geburtsordnung, Anzahl der Kinder im Haushalt, Anzahl der älteren Geschwister, Familienstand in der Familie, Bildungsstand und finanzielle Schwierigkeiten.
- Eltern- und Elternmerkmale wie postnatale psychische Gesundheit, mütterliche Bindung, widersprüchliche Partnerschaften oder häusliche Gewalt.
- Frühe soziale Erfahrungen wie Zeit mit Geschwistern, Aggressionen zwischen ihnen und Mobbing von Kollegen.
- Individuelle Unterschiede wie Geschlecht des Kindes, Kindertemperament und Intelligenz.
Man unterschied dabei drei Arten von Mobbing: Körperlich, psychologisch und sozial. Psychologisches Mobbing war die am häufigsten genannte Form des Mobbing, wobei Knaben ihre Geschwister häufiger schikanierten als Mädchen. Am häufigsten fand sich Mobbing gegen Geschwister durch Erstgeborene in Familien mit mehr als zwei Kindern, Kinder mit Eltern, die selbst Konflikte miteinander hatten, und bei Kindern mit frühen aggressiven Tendenzen. Die Aggression der Geschwister wird dabei sowohl durch einen Verlust von Ressourcen für Erstgeborene als auch Spätgeborene angetrieben, die dadurch ihren Bedarf an Ressourcen wie Elternaufmerksamkeit oder materielle Güter decken wollen. Mobbing unter Geschwistern ist daher ein Verteilungskampfes um Ressourcen und ein Ringen um soziale Dominanz.
Geschwistermobbing kann nach Ansicht der ForscherInnen eine evolutionäre Strategie zur Aufrechterhaltung oder Erreichung sozialer Dominanz sein, wobei ältere Geschwister besonders gefährdet sind, Geschwistermobbing zu initiieren. Eltern sollten darüber aufgeklärt werden, wie man mit Ressourcenverlusten bei Erstgeborenen umgeht und wie man bessere Geschwisterbeziehungen fördert.
Literatur
Dantchev, Slava & Wolke, Dieter (2019). Trouble in the nest: Antecedents of sibling bullying victimization and perpetration. Developmental Psychology, 55, doi:10.1037/dev0000700.
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