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Gehörlosigkeit und Gehirnentwicklung

Bekanntlich verändert und beeinflusst Gehörlosigkeit das menschliche Gehirn, wobei es bei Kindern es einen klaren Zusammenhang mit der frühen auditiven und sprachlichen Entwicklung und kognitiver Fähigkeiten gibt, doch auch bei Erwachsenen kann im höheren Alter das Hörvermögen Vorgänge im Gehirn mitbestimmen.

Bei einem Hörverlust verändert sich das Gehirn und organisiert sich neu, wobei andere Sinne wie das Sehen oder der Tastsinn in den Vordergrund treten und Aufgaben des Hörens übernehmen. Dieser Wandel tritt schon früh etwa drei Monate nach Beginn einer leichten Schwerhörigkeit ein, denn während bei einem hörenden Menschen die Hörrinde ausschließlich für die Verarbeitung von Höreindrücken zuständig ist, wird diese bei einem Hörverlust nachweislich auch von den übrigen Sinnen beansprucht. Dabei ist zu erkennen, dass das Sprachverständnis umso mehr abnimmt, je mehr die anderen Sinne übernehmen. Dieser Effekt tritt vermutlich in Folge der neuen Aufgabenverteilung im Gehirn aufgrund der fehlenden akustischen Signale durch die Hörminderung ein. Die frontalen und die präfrontalen Bereiche des Gehirns werden aktiver, wenn der auditorische Input abgeschwächt wird, sodass mehr Anstrengungen zum Zuhören notwendig werden, was anscheinend eine Veränderung der cortikalen Ressourcenverteilung im Gehirn bewirkt, da das Zuhören immer aufwendiger wird. Diese Mehranstrengung durch die zusätzliche kognitive Belastung kostet Energie, sodass die davon Betroffenen schneller ermüden (Stangl, 2019).

Nach Ansicht von Experten ist Nicht-Hören der wichtigste bekannte und veränderbare Faktor, der das kognitive Altern beeinflusst. Hören muss allerdings gelernt werden, denn das Gehirn verarbeitet Informationen und bildet Synapsen, die sich nach der Geburt in der Hirnrinde entwickeln. Gesteuert wird diese Entwicklung vom Hören, wobei die dadurch ausgelöste Aktivität Synapsen entstehen lässt und sie aufrecht hält, während Inaktivität zu ihrem Abbau führt. Dabei geht es nicht nur um gesellschaftliche Isolation und Inaktivität wegen der eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit, sondern Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung lassen vermuten, dass eine erfolgreiche Hörtherapie Altersdemenz verlangsamen kann.

Literatur

Stangl, W. (2016). Stichwort: ‚Kompensation‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
WWW: https://lexikon.stangl.eu/6619/kompensation/ (2016-05-20)
OÖN vom 14. März 2019


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