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Fürsorge verändert die Gefahrensensibilität von Erwachsenen

    Untersuchungen von Murrugarra & Goldstein (2025) haben gezeigt, dass die Wahrnehmung potenzieller Bedrohungen bei Erwachsenen signifikant verändert wird, sobald sie für ein Kind Verantwortung übernehmen. Dieser Effekt konnte nicht nur bei Eltern, sondern ebenso bei kinderlosen Personen nachgewiesen werden, was auf eine tief in der menschlichen Evolution verankerte Disposition schließen lässt.

    In zwei experimentellen Studien wurde eine virtuelle Umgebung genutzt, in der Erwachsene mit der Betreuung eines Babys konfrontiert wurden. Im ersten Experiment sollten die Teilnehmenden im Rahmen einer Straßensimulation auf herannahende Fahrzeuge reagieren, während sich in unmittelbarer Nähe ein virtuelles Baby befand, das unterschiedliche Stadien motorischer Entwicklung (ruhig, krabbelnd, laufend) aufwies. Im zweiten Experiment wurde die gleiche Aufgabe durchgeführt, jedoch mit einem Hund oder einem Roboter anstelle des Babys. Die Ergebnisse zeigten, dass Erwachsene in Gegenwart eines Kindes sowohl eine beschleunigte Reaktionszeit auf den Verkehr entwickelten als auch die Geschwindigkeit der Fahrzeuge systematisch höher einschätzten. Diese Effekte traten in deutlich abgeschwächter Form auf, wenn die Schutzaufgabe einem Tier oder einer Maschine galt.

    Die Befunde sprechen dafür, dass kindliche Signale – insbesondere Erscheinungsbild und Bewegungsmuster – sensorische Verarbeitungsprozesse Erwachsener modulieren. Dies legt nahe, dass das Wahrnehmungssystem auf die Gegenwart vulnerabler Nachkommen adaptiv reagiert. Aus evolutionsbiologischer Perspektive lässt sich dieser Mechanismus dadurch erklären, dass menschliche Kinder bereits lange vor der Ausbildung angemessener kognitiver Schutzstrategien mobil werden und dadurch in besonderem Maße auf die Aufmerksamkeit Erwachsener angewiesen sind. Da der Effekt sowohl bei Eltern als auch bei Nicht-Eltern zu beobachten war, stützen die Ergebnisse zudem die Annahme einer alloparentalen Speziesstruktur, in der der Schutz von Kindern über die Kernfamilie hinaus kollektiv übernommen wird. Offenbar aktiviert die Präsenz eines Kindes nicht nur fürsorgeorientiertes Verhalten, sondern verändert auch die basale Wahrnehmung ökologisch relevanter Reize. Babys fungieren damit als starke Auslöser adaptiver Schutzreaktionen, die als evolutionär verankerte Mechanismen verstanden werden können .

    Literatur

    Murrugarra, E. & Goldstein, M. (2025). The dynamics of perception in caregiving: How infants change the way we see the world. Child Development, doi:1111/cdev.70026


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