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Erinnern vs Lernen – stabile und flexible Netzwerke im Hippocampus

Für angenehme Erinnerungen muss man im Voraus sorgen.
Paul Hörbiger

Erinnerungen sind ein wichtiger Teil des Lebens, wobei über die Sinne Erlebtes in das Gehirn gelangt, wo es Netzwerke aus Nervenzellen erst zu einer Erinnerung kodieren. Daher bilden stabile Verbindungen zwischen Nervenzellen die wesentliche Grundlage von Erinnerungen. Castello-Waldow et al. (2020) haben den Hippocampus, also den Teil des Gehirns, der für Erinnerungen und das Lernen wichtig ist untersucht. Dabei hatte man sieben Tage lang mit der „Deep-Brain Two-Photon Mikroskopie“ die Struktur und Funktion von tiefliegenden Gehirnregionen von Mäusen beobachtet. Dabei sah man, wie einige dieser Nervenzellen während einer neuen Erfahrung als Netzwerk aktiv wurden, d. h., man konnte zum ersten Mal Neuronen direkt dabei beobachten, während sie eine neue Erfahrung kodieren, wobei man ihre Vernetzungen nicht nur nach diesem Lernprozess sondern auch schon davor untersuchen konnte. Man entdeckte dabei, dass die Nervenzellen, die später ein Teil einer Erinnerung bildeten, schon vorher eine stabilere Verbindung zueinander besaßen als diejenigen, die nicht Teil der Erinnerung wurden. In einem zweiten Schritt stellte man den Mäusen eine Lernaufgabe, wobei jene Tiere mit eher stabil vernetzten Nervenzellen im Hippocampus schlechter lernten als solche Tiere, die in diesem Bereich flexible neuronale Verbindungen aufgewiesen hatten. Die Bildung fester Erinnerungen benötigen daher wohl eher stabile Verbindungen zwischen bestimmten Nervenzellen, während flexible Verbindungen zwischen Nervenzellen dagegen besseres Lernen ermöglichen.

Übrigens ist eine der zentralen Frage der Neurowissenschaften, wie können Milliarden Nervenzellen nur durch Austausch kleiner, kurzer, etwa eine Tausendstel Sekunde dauernde elektrische Signale all das erzeugen, was Menschen subjektiv als Wahrnehmung, als Aufmerksamkeit, als Lernen oder als Gedächtnis erleben. Ein zentrales Funktionsprinzip des Gehirns besteht vermutlich darin, die effektive Stärke der Verbindungen zwischen Nervenzellen innerhalb von Bruchteilen von Sekunden so zu verändern, dass sich die informationsverarbeitende Funktion eines neuronalen Netzes grundlegend verändert. So können die neuronalen Netzwerke trotz ihrer anatomisch gegebenen und nicht rasch veränderbaren Verbindungen in einem Moment eine bestimmte Funktion lösen und im nächsten Moment, wenn eine andere Funktion erfüllt werden muss, funktionell buchstäblich umverdrahtet werden.

Literatur

Castello-Waldow, T. P., Weston, G., Ulivi ,A. F., Chenani, A., Loewenstein, Y., Chen, A. & Attard, A. (2020). Hippocampal neurons with stable excitatory connectivity become part of neuronal representations. PLoS Biology, 18, doi:10.1371/journal.pbio.3000928.
https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/neurowissenschaften-bremen-andreas-kreiter-100.html (21-11-06)


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