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Duale Kodierung als Schlüssel zu nachhaltigem Lernen im Unterricht

    Das verbreitete Konzept der Lerntypen, wonach Lernende je nach Sinneskanal individuell unterrichtet werden sollten, gilt in der aktuellen Forschung als überholt und teils sogar kontraproduktiv. Stattdessen zeigt sich, dass die bewusste Kombination verschiedener Kanäle – etwa Sprache, Bilder und Gesten – das Lernen deutlich wirksamer unterstützt. Dieses Prinzip, bekannt als duale Kodierung, geht auf die Theorie des Psychologen Allan Paivio zurück. Demnach verarbeitet das Gehirn sprachliche und visuelle Informationen in separaten, aber miteinander verknüpften Kanälen. Werden Inhalte auf mehreren Ebenen präsentiert, entstehen zusätzliche Gedächtnisspuren, die das Behalten und Abrufen von Wissen erleichtern.

    Eine zentrale Studie hierzu führten Cohen & Johnson (2012) mit 89 Fünftklässlerinnen und Fünftklässlern in New York durch. Die Kinder lernten naturwissenschaftliche Fachbegriffe auf unterschiedliche Weise: rein verbal, mit ergänzenden Bildern, durch eigene Zeichnungen oder durch eine Kombination aus Bild und selbst erstellter Zeichnung. In unmittelbaren und späteren Tests schnitt die reine Wortgruppe am schlechtesten ab. Deutlich erfolgreicher waren die Gruppen, die visuelle Elemente einbezogen, wobei die Kombination aus gezeigtem Bild und eigener Zeichnung die besten Ergebnisse lieferte. Dieser Befund bestätigt, dass nicht nur das passive Sehen, sondern vor allem das aktive Gestalten eine tiefere Verarbeitung erfordert und dadurch eine langfristige Verankerung im Gedächtnis begünstigt.

    Auch eine Metaanalyse aus dem Jahr 2020, die 39 Studien zum Einfluss von Grafiken auf das Textverständnis zusammenfasst, unterstreicht diesen Effekt. Unabhängig von Alter und Fachbereich verbesserten passende visuelle Elemente das Verständnis in moderatem, aber konsistentem Ausmaß. Neben Vokabellernen in Fremdsprachen oder dem Verständnis abstrakter Konzepte in Sozialkunde zeigt sich also auch in naturwissenschaftlichen Kontexten, dass duale Kodierung die Lernleistung steigert.

    Für die Unterrichtspraxis bedeutet dies, dass Lehrkräfte Inhalte möglichst über mehrere Kanäle aufbereiten sollten: durch anschauliche Visualisierungen, durch die Aufforderung an Lernende, eigene Skizzen oder Concept-Maps anzufertigen, und durch den Einsatz von Gesten oder Rollenspielen. Wichtig bleibt jedoch die gezielte Auswahl klarer und relevanter Darstellungen, da eine Überlastung des Arbeitsgedächtnisses durch übermäßig komplexe oder redundante Bilder den Lernerfolg mindern kann. Die Forschung verdeutlicht insgesamt, dass duale Kodierung eine effektive und wissenschaftlich gut belegte Methode darstellt, um Lernprozesse zu unterstützen und Wissen langfristig im Gedächtnis zu verankern.

    Literatur

    Cohen, M. T. & Johnson, H. L. (2012). Improving the acquisition and retention of science material by fifth grade students through the use of imagery interventions. Instructional Science, 40(6), 925–955.


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