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Die unheimliche Ebene der virtuellen Welt: Wie das Gehirn auf unnatürliche menschliche Abbilder reagiert

    Wenn Menschen animierte Charaktere sehen, die fast, aber nicht ganz perfekt menschlich aussehen, reagieren sie oft mit einem Gefühl des Unbehagens, einem Phänomen, das als „Uncanny Valley-Effekt“ bekannt ist. Dieses Gefühl der Ablehnung kann durch die „Pathogen-Vermeidungs-Hypothese“ erklärt werden, die besagt, dass das menschliche Gehirn diese geringfügigen Abweichungen als Anzeichen für eine Krankheit oder eine gesundheitliche Bedrohung interpretiert. Die unbewusste Abwehrreaktion des Körpers, eine evolutionär bedingte Schutzfunktion, löst eine Aktivierung des Immunsystems aus, um einer potenziellen Ansteckung vorzubeugen.

    Eine Studie von Forschenden der Universität Hamburg, die in der Fachzeitschrift *Scientific Reports* veröffentlicht wurde, hat diese Theorie untermauert. Unter der Leitung der Humanbiologin Esther Diekhof und des Informatikers Frank Steinicke wurden 66 Probanden in einer virtuellen Umgebung mit verschiedenen menschlich aussehenden Animationen konfrontiert. Einige dieser virtuellen Charaktere wiesen subtile, unheimliche Abweichungen im Gesichts- und Mundbereich auf. Die Forschenden analysierten daraufhin den Speichel der Testpersonen, um die Konzentration des Antikörpers sekretorisches Immunglobulin A (slgA) zu messen, der als Indikator für die Aktivität des Immunsystems dient.

    Die Ergebnisse zeigten, dass bei der Konfrontation mit den unheimlichen, leicht modifizierten virtuellen Figuren die slgA-Werte im Speichel der Probanden signifikant anstiegen. Dies weist auf eine erhöhte Immunantwort hin. Im Gegensatz dazu gab es keine Steigerung der Immunreaktion, wenn die Probanden optimierte, sehr menschenähnliche Animationen oder einfache Zeichentrickfiguren sahen. Interessanterweise fand die Studie heraus, dass diese Immunreaktion unbewusst stattfand. Die Teilnehmenden konnten in Fragebögen keine signifikanten emotionalen oder bewussten Unterschiede zwischen den realistischen und den unheimlichen Animationen feststellen. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass das Gehirn automatisch und vorsorglich das Immunsystem aktiviert, um sich vor einer wahrgenommenen Bedrohung zu schützen. Die Studienergebnisse unterstützen die Annahme, dass der „Uncanny Valley-Effekt“ nicht nur eine psychologische, sondern auch eine biologische Abwehrreaktion ist, die das menschliche Gehirn als Reaktion auf eine potenziell ungesunde Umgebung oder ein potenziell ungesundes Gegenüber einleitet. Diese Erkenntnisse könnten zukünftig genutzt werden, um Methoden zur Prävention oder Therapie von Krankheiten zu entwickeln, indem man sich diesen Mechanismus zunutze macht.

    Literatur

    Diekhof, E. K., Kastner, S., Deinert, D., Foerster, M., & Steinicke, F. (2025). *The uncanny valley effect and immune activation in virtual reality*. Scientific Reports, 15(1), 30473.


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