Zum Inhalt springen

Die individuelle Resonanz des Gehirns

    Das menschliche Gehirn ist bemerkenswert darin, sich mit rhythmischen Reizen aus der Umwelt zu synchronisieren, sei es der Takt eines Musikstücks oder das gleichmäßige Prasseln des Regens. Diese Fähigkeit, neuronale Aktivitäten an äußere Rhythmen anzupassen, verbessert die auditive Wahrnehmung und ermöglicht eine feinere sensorische Verarbeitung. Cabral-Calderin & Henry (2025) versuchten dabei mittels transkranieller Wechselstromstimulation (tACS), einem nicht-invasives Verfahren, bei dem schwache, rhythmisch modulierte Ströme über die Kopfhaut ins Gehirn geleitet werden, die neuronale Aktivität in bestimmten Frequenzbereichen gezielt zu beeinflussen – etwa zur Förderung der Aufmerksamkeit oder zur Verbesserung sensorischer Leistungen. Frühere Studien hatten bereits nahegelegt, dass tACS je nach zeitlicher Abstimmung mit akustischen Reizen entweder eine Verstärkung oder eine Abschwächung der Gehirnrhythmen hervorrufen kann. Dazu nahmen 50 Personen an einem Experiment teil, bei dem sie verrauschte Klangsequenzen anhörten und dabei kaum wahrnehmbare Pausen identifizieren sollten. In einigen Durchläufen wurde gleichzeitig tACS eingesetzt, um zu analysieren, wie die elektrische Stimulation mit den natürlichen auditorischen Rhythmen interferiert. Dabei zeigte sich, dass wenn deutlich rhythmische akustische Signale präsent waren, sich das Gehirn primär nach diesen richtete und der zusätzliche elektrische Reiz kaum Einfluss auf die Wahrnehmung oder das Verhalten hatte. Erst in Situationen, in denen die akustischen Reize schwach rhythmisiert oder schwer zu erkennen waren, trat die Wirkung der tACS deutlich zutage. Dabei reagierte jede Versuchsperson auf eine andere Stimulationsfrequenz besonders stark, d. h., die Effektivität der tACS war somit hochgradig individuell und offenbar eng an die jeweils bevorzugte neuronale Frequenz gekoppelt, was die Notwendigkeit einer personalisierten Anpassung von Stimulationsparametern unterstreicht, wenn elektrische Hirnstimulation therapeutisch eingesetzt werden soll. Die Synchronisationsfähigkeit des Gehirns ist demnach ein hochdynamischer, plastischer und individuell geprägter Prozess.

    Literatur

    Cabral-Calderin, Y, & Henry, M. J. (2025). Sensory stimuli dominate over rhythmic electrical stimulation in modulating behavior. PLOS Biology, 23, doi:10.1371/journal.pbio.3003180


    Nachricht ::: Stangls Bemerkungen ::: Stangls Notizen ::: Impressum
    Datenschutzerklärung ::: © Werner Stangl :::






    Schreibe einen Kommentar